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Warum Deutschland ein begehrter Standort für Stromfresser ist

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Jede App oder Anwendung auf Computer und Smartphone ist auf Rechenpower angewiesen. Diese Rechenpower versteckt sich weltweit in großen und kleinen Hallen, in denen turmhohe Reihen von Computerchips rund um die Uhr Streams starten, Fotos speichern und Überweisungen ausführen. In Irland verschlingen Rechenzentren schon jetzt 17 Prozent des gesamten Stroms. In zwei Jahren könnten es bereits 32 Prozent sein, schätzt die Internationale Energieagentur. Denn speziell neue KI-Anwendungen sind Energiefresser. "Eine Google-Anfrage verbraucht 0,3 Wattstunden Strom", erklärt Fondsmanager Patrick Vogel im "Klima-Labor" von ntv. "Wenn ich stattdessen ChatGPT frage, sind es 2,9 Wattstunden." Mit welchem Strom wird diese Nachfrage bedient? Selbst in den USA fällt Erdgas als Energiequelle neuer Rechenzentren weg. Unternehmen wie Amazon schließen stattdessen Verträge mit Kernkraftwerken. Und Deutschland? Profitiert trotz strenger Vorschriften vom grünen Strommix, stabilen Netzen und dem Ruf als Fort Knox der Datensicherheit.

ntv.de: Sind Rechenzentren Klimakiller?

Patrick Vogel: Nein, das ist zu weit gefasst. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich um einen globalen Markt handelt. Ich benötige ein Rechenzentrum für jedes Foto, denn das wird nicht nur auf dem Handy gespeichert, sondern in der Cloud, und die ist überall. Wenn ich etwas bei Google suche, geht die Anfrage nicht zum nächsten Knotenpunkt nach Frankfurt und kommt zurück, sondern meistens nach Virginia in den USA, also einmal um die halbe Welt. Dann entscheidet natürlich der lokale Energiemix, welchen Strom Rechenzentren vor Ort konsumieren.

Aber dieser Konsum ist gigantisch groß, das ist keine Übertreibung? Allein die deutschen Rechenzentren werden 2030 wahrscheinlich dreimal so viel Strom verbrauchen wie die ganze Stadt Berlin. Es gibt Schreckensszenarien, in denen es heißt, dass Rechenzentren mittelfristig bis zu 24 Prozent des global erzeugten Stroms verschlingen könnten.

Absolut. Ein klassisches Beispiel ist Irland. Dublin ist neben London und Frankfurt ein wichtiger Knotenpunkt in Europa. In Irland beträgt der Anteil der Rechenzentren am Stromkonsum bereits 17 Prozent.

Heute schon?

Ja. Und die Internationale Energieagentur schätzt, dass der Anteil bis 2026 auf 32 Prozent steigen wird. Das sind Sphären, bei denen man immer Probleme mit der Netzinfrastruktur bekommt. In Europa wird bei neuen Projekten allerdings bereits gesagt: Ganz so einfach geht das nicht. Wenn Du ein Rechenzentrum betreiben willst, musst Du zusehen, woher Dein Strom kommt. Und Du musst darauf achten, dass es nicht kritisch fürs Netz wird.

In Singapur ist das ähnlich. Dort gibt es keine breite Strominfrastruktur. Die haben große Probleme, neuen Strom zu generieren. Deswegen wurde dort in den vergangenen vier Jahren gar kein neues Rechenzentrum angeschlossen.

Brauchen wir denn wirklich immer mehr Rechenzentren mit immer mehr Leistung? Lässt sich diese Entwicklung nicht mehr stoppen? Die Digitalisierung wird kommen, wir können sie nur noch bestmöglich gestalten?

Die Digitalisierung wird natürlich kommen. Die Nachfrage ist da und muss entsprechend begleitet werden. In früheren Studien ist man davon ausgegangen, dass dieser Markt um sechs bis acht Prozent im Jahr wachsen wird und parallel dazu die Stromnachfrage. Vor gut einem Jahr hat McKinsey seine Prognose wegen Künstlicher Intelligenz auf zehn Prozent angehoben.

Als die Welt ChatGPT kennengelernt hat?

Genau. Eine Google-Anfrage verbraucht 0,3 Wattstunden Strom. Das ist extrem wenig und fällt keinem auf. Wenn ich stattdessen ChatGPT frage, verbrauche ich 2,9 Wattstunden.

Fast eine Verzehnfachung.

Ja. Und in der Regel habe ich ungefähr sieben Milliarden Anfragen täglich. Nur ChatGPT bedeutet eine zusätzliche Nachfrage von 10 Terawattstunden pro Jahr. Das ist wirklich viel. Kurz nach McKinsey hat die Internationale Energieagentur ihre Wachstumsprognose übrigens auch erhöht auf 15 Prozent und gesagt, dass sie sogar 23 Prozent mehr Wachstum für möglich hält, falls sich der Bereich "Künstliche Intelligenz" noch mal deutlich beschleunigen sollte.

Wird diese Nachfrage von privatem Konsum getrieben oder sind das Unternehmen?

Das lässt sich so nicht beantworten. Bei Künstlicher Intelligenz gibt es zwei unterschiedliche Stadien: Erst muss eine KI wie ChatGPT trainiert werden. Für dieses Training benötige ich viel mehr Energie als später für die tatsächlichen Anwendungen. Aber alle Unternehmen, die jetzt in den Bereich gehen, möchten ihre KI-Produkte später privaten Konsumenten anbieten. Diese enorme Nachfrage nach künstlicher Intelligenz, neuen Modellen und Chips, die man für das Training benötigt, beschleunigt sich erst mal.

Sie haben es angesprochen: Letztlich entscheidet sich vor Ort, welche Art von Strom diese steigende Nachfrage befriedigt. Wird das in Deutschland und Europa bereits mitgedacht? Sagen die Betreiber von Rechenzentren von vornherein, dass sie direkt ein Windrad bauen?

Wo finde ich das Klima-Labor?

Das "Klima-Labor" könnten Sie sich bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify oder über den RSS-Feed anhören.

Sie haben Fragen an uns? Schreiben Sie eine E-Mail an podcasts@ntv.de oder nehmen Sie Kontakt zu Clara Pfeffer und Christian Herrmann auf.

Ja. Ab 2026 müssen gerade die Betreiber großer Rechenzentren auf solche Vorgaben achten. Wir merken das auch in Gesprächen mit diesen Unternehmen: Vergangene Woche hat uns ein Betreiber gesagt, dass er den Standort Deutschland positiv sieht, weil der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix steigt und weil unsere Netze stabil sind.

So deutliches Lob für den Standort Deutschland gab es zuletzt nicht so oft.

Das hat uns auch sehr gefreut. Man muss aber wirklich sagen: Andere Netze sind deutlich schlechter aufgestellt. Wir haben ein breites Netz, wir haben viele Stromleitungen. Das ist nicht überall auf der Welt so. Auch in den USA nicht, auch wenn das amerikanische Netz natürlich ganz andere Strecken zurücklegen muss.

Die Betreiber von Rechenzentren achten darauf, dass ihre Stromversorgung grün ist?

Google investiert in den Niederlanden in einen Windpark, um ein neues Rechenzetrum bauen zu können.

(Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT)

Wenn man sich die großen Namen der Branche anguckt, sieht man genau das. Die Google-Mutter Alphabet hat Anfang des Jahres angekündigt, dass sie eine Milliarde Euro in einen Windpark vor der niederländischen Küste investieren wird, um ihre Zentrale und ihre Rechenzentren in den Niederlanden mit Strom versorgen zu können. Allein dieser Park wird die niederländische Stromerzeugung um sechs Prozent erhöhen. Das größte Rechenzentrum von Microsoft in den Niederlanden ist von ganz vielen Agrarflächen umgeben. Das sind Solarparks. Es werden mehr und mehr Abnehmerverträge geschlossen, bei denen zu einem Rechenzentrum auch ein Park mit Erneuerbaren und Batteriesystemen kommt.

Wird das in den USA ähnlich gehandhabt oder werden neue Rechenzentren dort auch mit fossilem Strom betrieben? Weite Teile des Landes verfügen ja über günstiges Gas.

Die Amerikaner sagen bloß, dass kein CO2 ausgestoßen werden darf. Damit fällt Erdgas zum Beispiel als Energiequelle weg. Aber es kann vorkommen, dass ein Betreiber einen Vertrag mit einem Atomkraftwerk schließt, um Energie für ein Rechenzentrum zu bekommen.

Sie meinen Amazon? Die AWS-Mutter hat im März für 650 Millionen US-Dollar ein Rechenzentrum auf dem Gelände eines Kernkraftwerks in Pennsylvania gekauft und bekommt jetzt zehn Jahre lang Strom zum Festpreis. Was muss Deutschland denn tun, damit man auch ohne Kernkraft ein beliebter Standort für Rechenzentren bleibt?

Die Rechenzentren selbst müssen effizienter werden: Nur 40 Prozent des Energiebedarfs gehen aktuell für die einzelnen Anwendungen drauf. Weitere 40 Prozent fallen für die Kühlung der Chips und Server an, der Rest ist die Instandhaltung des Gebäudes. Es gibt bereits Vorschriften, die sagen: Diese Werte müssen runter.

Inwiefern kann man an diesen Stellen sparen?

Jeder kennt den klassischen Computer mit einem kleinen Ventilator drin. So sind Rechenzentren heutzutage auch aufgestellt: Im Dach befinden sich große Ventilatoren, die mit der Luft meine Türme voller Rechner kühlen. Wenn ich in diese Türme die neuesten Chips von Nvidia einbaue, um KI-Modelle zu trainieren, steigt die Energiedichte eines Turmes von 6 bis 12 auf 26 bis 80 Kilowatt und für die Kühlung wird deutlich mehr Energie benötigt. Bei diesen Werten kann ich aber gar nicht mehr mit Luft kühlen. Ich benötige eine effizientere Technik wie eine Wasserkühlung.

Sind diese Vorschriften ein Nachteil? Sagen sich die Betreiber, dass sie ihre Rechenzentren dann lieber woanders bauen, wo die Regeln weniger streng sind?

Bei Effizienz und Kühlung wird die Latte generell immer höher gelegt und man muss berücksichtigen, dass Europa ein wichtiger Markt ist. Ich kann nicht alle Rechenzentren nur in den USA und in Asien bauen. Ich habe von Betreibern auch schon gehört, dass speziell Deutschland das Fort Knox der Datensicherheit ist. Das spricht ebenfalls für uns. Wir müssen einfach überlegen, wie wir unsere Infrastruktur gestalten, damit sie mit den neuen Anforderungen zurechtkommt. Aber das machen alle anderen auf der Welt auch.

Mit Patrick Vogel sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.

Klima-Labor von ntv

Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Klima-Labor ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen auf Herz und Nieren prüfen. Ist Deutschland ein Strombettler? Vernichtet die Energiewende Industrie & Arbeitsplätze? Warum erwarten so viele Menschen ihren ökonomischen Abstieg? Warum sind immer die Grünen schuld? Sind Seeadler wirklich wichtiger als Windräder? Kann uns Kernkraft retten?

Das Klima-Labor von ntv: Jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert, Spaß macht und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed

Sie haben Fragen an uns? Schreiben Sie eine E-Mail an podcasts@ntv.de oder nehmen Sie Kontakt zu Clara Pfeffer und Christian Herrmann auf.

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