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Kürzungen beim Bürgergeld: „Auf dem Weg in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen"

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Stand: 24.04.2024, 18:01 Uhr

Von: Amy Walker

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Der Präsident der Arbeitgebervereinigung BDA, Rainer Dulger, hat erneut gegen das Bürgergeld ausgeteilt und eine „Generalsanierung" gefordert. Totalverweigerern müsse man alle Leistungen kürzen können.

Berlin - Der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA), Rainer Dulger, hat erneut seine Forderung für eine Überarbeitung des Bürgergeldes bekräftigt. In einem neuen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte er: „Deutschland ist mit dem Bürgergeld auf dem Weg in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen". Er fordere deshalb eine „Grundsanierung des Systems". Es gebe „eine Mehrheit" im Land, die der Meinung sei, das Bürgergeld führe zu mehr Arbeitsverweigerung, so Dulger weiter.

Dulger: Bürgergeld bei Totalverweigerern komplett kürzen

Insbesondere bei sogenannten „Totalverweigerern" fordert Rainer Dulger eine härtere Gangart als bisher. „Bei fehlender Mitwirkung in Form von Meldeversäumnissen sollte gleich zu Beginn der Regelsatz deutlich gekürzt werden", fordert die BDA laut FAZ. „Geringe Leistungskürzungen von 10 Prozent des Regelbedarfs haben keine abschreckende Wir­kung." Weiter fordern die Arbeitgeber, dass auch Wohn- und Heizkosten gestrichen werden können. Dass ein solcher Schritt vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten würde, ist jedoch fraglich. Bereits 2019 hatte das Gericht bei Hartz IV Sanktionen geurteilt, dass diese nur begrenzt möglich seien. Komplette Kürzungen der Leistungen hatte das Gericht direkt untersagt, mit der Begründung, dass das nicht mit der Menschenwürde vereinbar sei. Der Staat sei verpflichtet, das Existenzminimum zu decken.

Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Wir müssen den Sozialstaat vom Kopf auf die Füße stellen." © Soeren Stache/dpa

Aus Sicht der Arbeitgeber geht das aktuelle Sozialsystem jedoch über das Existenzminimum hinaus. „Wenn Regelbedarfe langfristig und flächendeckend über dem tatsächlichen Bedarf liegen, ist das ungerecht denen gegenüber, die die Grundsicherung mit ihren Steuern finanzieren und verringert Erwerbsanreize."

Bürgergeld-Mythos: Studie widerlegt Behauptung über Arbeitsanreize

Dass das Bürgergeld falsche Arbeitsanreize setze, darüber wird seit Monaten in Deutschland heftig diskutiert. Anfang des Jahres stellte das Ifo-Institut eine Studie vor, die die Behauptung widerlegte, dass sich Arbeit durch das neue Bürgergeld nicht mehr lohnt. „Arbeit führt in Deutschland immer zu höheren Einkommen als Nichtstun", erklärte das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut im Januar. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler ist die Voraussetzung aber, dass Geringverdiener auch die Möglichkeit der Aufstockung ihres Einkommens durch zusätzliche Sozialleistungen beantragen. Ohne Geld vom Staat kann demnach unter Umständen das reine Arbeitseinkommen tatsächlich niedriger sein als das Bürgergeld.

„Die von manchen Politikern aufgestellte Behauptung, wer nur Sozialleistungen beziehe, bekomme netto mehr als ein Geringverdiener, ist schlicht falsch", sagte Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen. Die Rechenbeispiele des Instituts: Ein Alleinstehender in einer Stadt mit mittlerem Mietniveau wie Dresden kann demnach bei 1000 Euro Bruttoverdienst mit Hilfe zusätzlicher Sozialleistungen im Monat auf 891 Euro netto nach Abzug von Miet- und Heizkosten kommen. Wer nicht arbeite und nur Sozialleistungen bekomme, habe 563 Euro Bürgergeld.

„Nur wenn ein Alleinstehender mit 1000 Euro Brutto-Einkommen keinerlei Sozialleistungen beantragt, die er erhalten kann, dann landet er bei 357 Euro netto", sagte Ökonom Manuel Pannier. Bei 2000 Euro brutto kann ein Alleinstehender laut Ifo mit Sozialleistungen auf netto 1020 Euro im Monat kommen, ohne Sozialleistungen wären es 965 Euro. Beide Beiträge seien wesentlich höhere als das Bürgergeld von 563 Euro.

Sozialleistungen können Mehrarbeit verhindern

Anders sieht das allerdings aus, wenn ein Geringverdiener mehr arbeiten möchte, zum Beispiel, indem er von einer Teilzeit- in eine Vollzeitstelle wechselt. Der Wirtschaftsforscher Clemens Fuest erklärt im Februar, das gelte nicht nur für das Bürgergeld, sondern auch bei kleineren und mittleren Einkommen, weil Zuschüsse wie Wohngeld oder Kinderzuschlag davon betroffen seien. Fuest nannte als Beispiel eine Familie mit zwei Kindern in einer Stadt mit hohen Mieten wie München. Wenn das Einkommen der Familie durch Mehrarbeit einen Sprung von 3000 auf 5000 Euro brutto im Monat mache, würden nicht nur Steuern und Sozialabgaben fällig. Zusätzlich fielen die Sozialtransfers weg. „Von den 2000 Euro mehr brutto bleiben am Ende 32 Euro netto übrig. Da versteht jeder, dass sich arbeiten nicht lohnt."

Dieses System greift auch der BDA-Präsident nun in der FAZ direkt an. In einem Acht-Punkte-Plan fordern die Arbeitgeber eine Abkopplung von Einkommen und Sozialleistungen, damit Menschen mehr von ihrem selbst erarbeiteten Geld behalten können. Zudem fordert der BDA eine neue Definition dessen, wer als bedürftig gilt: „Ein Paar mit zwei Kindern mit einem Vermögen von 85.000 Euro ist nicht bedürftig und sollte, anders als es jetzt der Fall ist, keine existenzsichernden Leistungen erhalten", zitiert die Zeitung aus dem Papier.

Mit Material von dpa

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