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Putins drei Ziele im Ukraine-Krieg - „Sein Plan ist es, bald wieder vor Kiew zu stehen"

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Stand: 24.04.2024, 19:25 Uhr

Von: Lisa Mahnke

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Putin hat laut Experten eine klare Strategie im Ukraine-Krieg. Drei Ziele soll er in Angriff nehmen. Russland scheint bis zum Winter auf Zeit zu spielen.

Moskau - Laut Experten für Sicherheitspolitik ist die Strategie von Wladimir Putin für den kommenden Sommer klar: die vorhandenen Schwächen der Ukraine ausnutzen, um in der - wie er es bezeichnet - „militärischen Sonderoperation" voranzukommen.

Der Winter und das ausbleibende Hilfspaket, das bisher im US-Repräsentantenhaus feststeckte, schwächte zuletzt die Ukraine. Über den Sommer wolle der russische Präsident Putin laut Experten nun auf Zeit spielen. Wenn die Strategie aufgeht, könnte Russland im nächsten Winter wieder - und eventuell leichter - Territorien gewinnen.

Putin habe drei Ziele im Ukraine-Krieg vor Augen

„Drei Ziele hat er vor Augen: Der eigenen Bevölkerung Größe zu demonstrieren, den ukrainischen Widerstandswillen zu brechen und die westlichen Unterstützer zur Aufgabe zu bringen", erklärte die Professorin für Zeitgeschichte und Kultur Osteuropa an der Universität Bremen, Susanne Schattenberg, in einem Gastartikel von drei Politik-Experten beim Tagesspiegel.

Schon in den letzten Monaten sei auf russischer Seite eine gezieltere Kriegsführung deutlich geworden, zum Beispiel durch große Treffer auf wichtige Infrastruktur. Den Einschätzungen der drei Experten nach könnte das erst der Anfang gewesen sein.

Wladimir Putin hat wohl drei Ziele im Angriffskrieg auf die Ukraine. © Alexander Zemlianichenko / Pool

Widerstand der Ukraine brechen: Hauptaugenmerk Putins im Krieg?

„Russland hat auch eine neue Kampagne zur Zerstörung der Energieinfrastruktur in der Ukraine gestartet. Das ist eine vorausschauende Strategie für den nächsten Winter", so Marek Kohv, Leiter des Programms „Sicherheit und Resilienz" beim International Centre for Defence and Security (ICDS). Im Rahmen dieser Strategie erweiterte Putin bereits die Produktion von Iskander- und Kinzhal-Raketensystemen. Auf Seiten der Ukraine hielt die Luftabwehr einige Schläge gegen kritische Infrastruktur nicht ab und die Arbeiter müssen teils unter risikoreichen Bedingungen weiterarbeiten und lange Zeit auf Ersatzteile warten.

Stromausfälle und andauernde Angriffe zehren an der ukrainischen Bevölkerung. „Die russische Führung will zweifellos die noch nicht besetzten Teile der Regionen Donezk und Luhansk erobern. Mit den Luftangriffen etwa auf Charkiw soll die Moral der Bevölkerung gebrochen und eine Fluchtwelle aus der Stadt ausgelöst werden", erklärte Mangott. Nachdem die Fronten einen Großteil des Winters überwiegend gleich geblieben waren, könnten auch schnelle Avancen des russischen Militärs den Mut auf ukrainischer Seite brechen.

Gleichzeitig sei auch in den teils ausbleibenden oder sich verzögernden Lieferungen aus dem Westen eine Schwachstelle entdeckt worden: „Unmittelbares militärisches Ziel Russlands ist die starke Abnutzung von ukrainischem Personal und Material; das ist derzeit wichtiger als territoriale Gewinne." Man wolle ein ukrainisches Defizit in der Verteidigung vergrößern, schrieb Mangott. Auf langfristige Sicht gilt als nicht unwahrscheinlich, dass eine Blockade wie die im US-Kongress erneut passiert. Für Russland wäre das eine günstige Chance, um schnelle territoriale Gewinne einzubringen.

Druck und Desinformation bei westlichen Unterstützern - Russland will unter Druck setzen

„Russland hat das Zögern einiger westlicher Hauptstädte, der Ukraine zu helfen, erkannt. Die russische Taktik besteht nun darin, die Situation auszunutzen und den maximalen Druck auf die ukrainischen Streitkräfte aufrechtzuerhalten", so der ICDS-Vertreter Kohv. Eine solche Strategie könnte nicht nur die Ukraine schwächen, sondern auch die Unterstützung durch westliche Länder - indem Zweifel an der Effektivität einer weiteren Unterstützung existieren.

Eine solche Folge könnte auch die zweite an den Westen gerichtete Strategie sein: „Vor allem Desinformation soll die Meinungsbildung im Westen über weitere Militär- und Finanzhilfe beeinflussen", erklärte Gerhard Mangott, Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf Internationale Beziehungen und Russland an der Universität Innsbruck. Er nimmt an, dass sich russische Desinformationskampagnen bis zur Europa-Wahl noch verstärken würden.

Putin will Größe und Legitimation für Russland

„Russland hat durch viele Freiwillige derzeit kein Personalproblem, in bestimmten Bereichen aber ein Ausrüstungsproblem", so Mangott. Statt einer erneuten großen Mobilisierungswelle setzte der Kreml in den letzten Monaten auf gute Bezahlung für Armee-Freiwillige und das Freiheitsversprechen an Gefangene, die im Ukraine-Krieg kämpfen. Immer öfter nahmen offenbar auch Frauen, darunter auch weibliche Häftlinge, das Angebot an. Dahingegen drehten sich eine Vielzahl von Medienberichten auch um russische Munitionsengpässe und Rückgriffe auf sowjetische Bestände auf.

Putin wolle im Ukraine-Krieg bald wieder vor Kiew stehen

„Sein Plan wird sein, bis Jahresende nicht nur diese Städte zu okkupieren, sondern auch wieder vor Kiew zu stehen", prognostizierte Osteuropa-Expertin Schattenberg. Vor dem Hintergrund, dass die „militärische Sonderoperation" eigentlich zügig vorbei sein sollte, könnten auch Gebietsgewinne eine Legitimation in Russland darstellen. Das Ziel Putins sei es laut der Einschätzung von Schattenberg, Charkiw und Cherson unter die militärische Kontrolle Russlands zu bringen.

In Russland bestärkte dabei laut Expertenmeinungen die Wahl die Legitimation des Ukraine-Kriegs: „Putin benutzt die 87 Prozent der Stimmen, die er angeblich bei den ‚Wahlen' im März holte, als Mandat für den ‚Krieg gegen den Westen'", erklärte Schattenberg. Auch die Erklärung des Moskauer Geistlichen Kyrill I. zum „heiligen Krieg" helfe laut Schattenberg der Legitimation. (lismah)

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