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EU-Lieferkettengesetz: Europaparlament stimmt für umstrittenes Vorhaben

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Um kaum ein EU-Gesetz ist in dieser Legislaturperiode derart intensiv gerungen worden, wie um das europäische Lieferkettengesetz. Lange sah es so, als werde das Gesetz ganz scheitern, nachdem die FDP die Zustimmung Deutschlands blockiert hatte. Am Ende aber gelang es der belgischen EU-Ratspräsidentschaft, die bis Juni die Geschäfte im Ministerrat führt, doch noch eine Mehrheit zu organisieren. Das Gesetz wurde dafür verglichen mit dem im Dezember von Unterhändlern des Europaparlaments und Ministerrats ausgehandelten ursprünglichen Kompromiss deutlich abgeschwächt. Deutschland wurde überstimmt.

Am Mittwoch hat nun auch das Europäische Parlament der abgeschwächten Fassung zugestimmt. 374 Abgeordnete stimmten dafür, 235 dagegen, 19 enthielten sich. „Mit der heutigen Abstimmung siegen Menschenrechte über die intensive Lobbykampagne gegen das EU-Lieferkettengesetz", sagte die Europaabgeordnete der Grünen, Anna Cavazzini. „Die EU sendet ein unmissverständliches Signal: Wer hier wirtschaften möchte, der muss darauf achten, dass Menschenrechte und Umweltschutz respektiert werden", sagte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Kein Unternehmen müsse Unmögliches leisten. „Wir haben hier kein Bürokratiemonster, sondern ein praktikables Gesetz", sagte er weiter. 

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Von einem „schlechten Tag für die Wirtschaft" sprach die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist bereits durch hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und hohe Bürokratielast unter Druck, mit dem Lieferkettengesetz setzen wir jetzt noch eins drauf."

Das EU-Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Kinder in der EU verkaufte Waren herstellen und dass die Umwelt während der Produktion verschmutzt wird. Die Unternehmen sollen dafür ihre Lieferkette auf Verstöße gegen die Menschenrechte und Umweltschutzvorgaben prüfen.

Das gilt nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren für Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 450 Millionen Euro. Ursprünglich sollte die Schwelle bei 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro liegen. Die für Risikosektoren wie die Textilherstellung oder Rohstoffförderung geplanten noch niedrigeren Schwellen entfallen komplett.

Deutschland muss sein Gesetz anpassen

Für Deutschland bedeutet das, dass weniger Unternehmen betroffen sind als unter dem geltenden deutschen Lieferkettengesetz. Das zieht die Schwelle zwar ebenfalls bei 1000 Mitarbeitern, kennt jedoch keine Umsatzschwelle. Deutschland muss sein Gesetz an die EU-Vorgaben anpassen.

Anders als im deutschen Gesetz müssen die Unternehmen aber ihre gesamte Lieferkette - auch die Zulieferer der Zulieferer und deren Zulieferer - auf Verstöße gegen die Menschen- und Arbeitsrechte und den Umweltschutz durchforsten. Auch die Kontrolle von Umweltverstößen wird verglichen mit dem deutschen Lieferkettengesetz verschärft.

Damit die Unternehmen nicht zu sehr durch die Kontrollen belastet werden, gilt ein risikobasierter Ansatz: Sitzt ein Zulieferer etwa in Dänemark, ist faktisch keine Prüfung nötig, anders sieht das in Kongo aus. Überprüfen müssen die Unternehmen auch ihre direkten Abnehmer.

Ausgeweitet wird verglichen mit dem deutschen Lieferkettengesetz die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen, also die Möglichkeit von Opfern von Verstößen gegen Menschenrechte oder Umweltschutzauflagen zu klagen. Dafür gilt künftig das deutsche Schadenersatzrecht und nicht mehr das des Landes, in dem der Verstoß geschieht. Unternehmen haften aber anders als von der Kommission vorgeschlagen nur, wenn sie ihre Pflichten zur Kontrolle der Lieferketten vorsätzlich oder fahrlässig vernachlässigt haben. Klagen können auch Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, aber nur im Auftrag von Opfern.

Schon am Dienstag hatte das Europaparlament das Gesetz zum Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit angenommen. Das zielt vor allem auf von chinesischen Zwangsarbeitern in Xinjiang gefertigte Produkte. Das Gesetz verpflichtet Mitgliedstaaten und Europäische Kommission tätig zu werden, wenn sie in der Lieferkette eines Produktes Zwangsarbeit vermuten. Bestätigt sich nach einer Prüfung der Verdacht, sollen Waren an den EU-Grenzen beschlagnahmt und vom europäischen Markt zurückgezogen werden. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, können mit einer Geldstrafe belegt werden.

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