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Onkel von Kannibalen verspeist? Inselstaat verärgert über Anekdote von Biden

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Stand: 23.04.2024, 15:57 Uhr

Von: Sarah El Sheimy

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Joe Biden machte zuletzt Schlagzeilen mit einer falschen Familienanekdote. Papua-Neuguineas Regierungschef warf ihm vor, das Land verunglimpft zu haben.

Pittsburgh - Auf einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania hat US-Präsident Joe Biden sich einen folgenreichen Fehltritt erlaubt: Im Kontext einer falschen Anekdote über seinen Onkel, der im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte, verbreitete er Fehlinformationen über die Praktizierung von Kannibalismus auf der Pazifikinsel Neuguinea. Der Premierminister des Staates Papua-Neuguinea, James Marape, wirft Joe Biden jetzt vor, das Land herabgewürdigt zu haben.

„Die Bemerkungen von Präsident Biden könnten ein Versprecher gewesen sein", sagte Marape am Montag (21. April) gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Sein Land verdiene jedoch nicht, mit diesem Image gebrandmarkt zu werden. „Der Zweite Weltkrieg war nicht das Werk meines Volkes; sie wurden jedoch unnötigerweise in einen Konflikt hineingezogen, der nicht ihre Schuld war."

Papua-Neuguineas Premierminister James Marape sieht sein Land durch eine Anekdote von US-Präsident Joe Biden verunglimpft. © Imago (Montage)

Papua-Neuguinea kämpft mit Folgen des Weltkriegs - Biden sprach von Kannibalen

Marape habe die USA gar aufgefordert, ihre Kriegstoten im Dschungel von Papua-Neuguinea zu finden und Trümmer von damals zu beseitigen, berichtet AP. Die Kriegsschauplätze im Land seien zahlreich gewesen, menschliche Überreste, Flugzeug- und Schiffwracks, Tunnel sowie Bomben überall verstreut, „einschließlich des Flugzeugs, das den Onkel von Präsident Biden beförderte". Die Menschen würden täglich mit der Angst leben, von Explosionen alter Weltkriegs-Bomben getötet zu werden.

Biden hatte die Geschichte über seinen Onkel bei einer Wahlkampf-Rede in Pittsburgh erzählt. Er berichtete davon, wie er vor dem Verlassen der Stadt Scranton ein Denkmal für Gefallene des Zweiten Weltkriegs besuchen wollte, um auch seines Onkels Ambrose Finnegan, genannt „Bosey", zu gedenken. Dieser sei für die US-Luftwaffe zu Aufklärungsflügen in Kriegsgebieten gestartet. Über Neuguinea sei er abgeschossen worden, sagte Biden. „[…] und sie haben die Leiche nie gefunden, weil es früher […] in diesem Teil von Neuguinea gab es wirklich viele Kannibalen."

Bidens Kannibalen-Geschichte über Papua-Neuguinea stimmt nicht

Im Anschluss daran grenzte Biden sich von seinem Konkurrenten, dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, ab. Der habe einen amerikanischen Friedhof nahe Paris mit der Begründung nicht besuchen wollen, dass die dort liegenden Gefallenen „Trottel und Verlierer" gewesen seien. Die mutmaßliche Beleidigung der US-Soldat:innen durch Trump hatte dem Ex-Präsidenten damals einen Skandal beschert. Er selbst bestritt die Vorwürfe.

Biden wollte sich mit der Ehrung seines Onkels wohl als positives Gegenbeispiel darstellen, verbreitete dabei aber Unwahrheiten. Seine Sprecherin Karine Jean-Pierre erklärte zwar, dass der Onkel des Präsidenten tatsächlich 1944 bei einem Flugzeugabsturz vor Neuguinea ums Leben gekommen sei.

Die für Nachforschungen zu vermissten Soldaten zuständige Abteilung im Pentagon gab allerdings an, dass das Flugzeug vor der Küste der Insel im Wasser hatte notlanden müssen. Die Maschine sei hart auf der Meeresoberfläche aufgeschlagen. Ein Erkundungsflug am Tag darauf habe keine Spuren des vermissten Flugzeugs oder der drei Besatzungsmitglieder entdeckt.

Biden über Kannibalismus in Papua-Neuguinea: Aus dem Kontext gerissen

Aber nicht nur die Geschichte über Bidens Onkel stimmt nicht. Der Präsident hat mit seiner Aussage auch alte Rassismen reproduziert, die in Neuguinea lebende Menschen pauschalisierend mit Kannibalismus in Zusammenhang bringen. Dieser ist historisch gesehen bei einer kleinen Anzahl von Stämmen in abgelegenen Teilen Papua-Neuguineas dokumentiert worden. Das Land versucht schon lange, dieses Image loszuwerden.

Dass es Kannibalismus gab, sei bekannt und eine Tatsache, zitiert der Guardian Michael Kabuni, einen Dozenten für Politikwissenschaft an der Universität von Papua-Neuguinea. „Aber das aus dem Kontext zu reißen und zu unterstellen, dass Ihr [Onkel] aus dem Flugzeug springt und wir irgendwie denken, er sei ein gutes Essen, ist inakzeptabel."

Laut Kabuni haben einige Gemeinschaften in bestimmten Kontexten Kannibalismus praktiziert. Sie hätten zum Beispiel verstorbene Verwandten aus Respekt gegessen, um zu verhindern, dass sich der Körper zersetzt. Es habe also einen Kontext gegeben. „Sie hätten nicht einfach alle weißen Männer gegessen, die vom Himmel fallen."

Premierminister Papua-Neuguineas: Beziehungen zu den USA stärker als „verschwommener Moment"

Trotz seiner Verurteilung des Vorfalls zeigte sich der Premierminister Papua-Neuguineas, James Marape, versöhnlich: Manchmal gebe es „Momente der Verwirrung", die Beziehungen mit den USA seien aber stärker als „ein verschwommener Moment". Bei seinen bisher vier Treffen mit dem US-Präsidenten habe Biden das Land immer „sehr gelobt". Von „Kannibalen" im Zusammenhang mit Papua-Neuguinea war laut Marape nie die Rede. (ses/AFP)

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