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Suchst Du noch oder resignierst Du schon?

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Nach dem Rückgang bei Preisen und Zinsen wird der Wohnungsmarkt für Käufer wieder interessant. Mieter hingegen müssen sich gedulden - und darauf hoffen, dass die Politik endlich handelt

Einmal im Jahr, immer zwischen Februar und April, schwärmt ein Großteil der Capital-Redaktion aus. Die Kolleginnen und Kollegen streifen schwere Stiefel und grobe Jacken über, packen Karten und Stadtpläne ein und ziehen los, in die Stadt und raus aufs Land in die Speckgürtel.

Sie wollen selbst sehen, was man bekommt, wenn eine Wohnungsanzeige eine „1A-Top-Lage" verspricht, einen „familienfreundlichen Grundriss" und das zu einem „unschlagbaren Preis". Sie sprechen mit Bauunternehmern, mit Projektentwicklern, mit Maklern und mit Menschen, die gerade auf der Suche nach einer neuen Bleibe sind, zur Miete oder zum Kauf. Heraus kommt dabei jedes Jahr der große Immobilienkompass, die umfassendste Analyse zur Lage auf dem Markt für Wohnungen und Häuser in Deutschland, mit Dutzenden Preistabellen und Lagekarten für die größten Städte des Landes.

Nach dem Einbruch und der Schockstarre im vergangenen Jahr waren wir diesmal besonders gespannt, wie sich der Markt entwickelt. Eine wichtige Erkenntnis unterstrich in dieser Woche das Statistische Bundesamt mit ganz offiziellen Zahlen: Der Neubau bricht nicht ein, sondern er bricht ab. Im Februar dieses Jahres genehmigten die Behörden den Bau von 18.200 Wohnungen - knapp 20 Prozent weniger als im Februar 2023 und sogar 35 Prozent weniger als vor zwei Jahren.

Fast überall im Land gibt es inzwischen erschlossene Baugebiete, in denen auf den Grundstücken junge Büsche und Bäume wuchern, wo vielleicht sogar die Baugrube ausgehoben wurde - aber sich schon seit einer ganzen Weile nichts mehr tut. Der horrende Anstieg der Baupreise zusammen mit dem steilen Anstieg der Zinsen haben einer ganzen Branche den Boden unter den Füßen weggezogen.

Es gibt viele Zahlen, die die Misere vermessen - und wie immer wird mit Zahlen auch Politik betrieben. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprach einst die Ampel zum Amtsantritt. Fertig gebaut wurden 2023 nach ersten Schätzungen etwa 240.000. Mit dem weiteren Rückgang der Baugenehmigungen in diesem Jahr dürften wir künftig eher bei 200.000 zusätzlichen Wohnungen und Häusern pro Jahr landen.

Hunderttausende Wohnungen fehlen

Schon heute fehlen - je nach dem, wen man fragt - 600.000 bis 800.000 Wohnungen. Eine weitere Untersuchung taxierte den (künftigen) Bedarf niedriger und kam auf eine Spanne von knapp 200.000 bis 300.000 Wohnungen, die jedes Jahr neu gebaut werden müssten. Angesichts des aktuellen Trends und der Lücke, die bereits heute zwischen Angebot und Nachfrage klafft, ist aber auch dies keine beruhigende Erkenntnis.

Eine letzte Zahl: Rund 1,5 Millionen Menschen sind seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine in den vergangenen zwei Jahren neu nach Deutschland gezogen - eine Stadt so groß wie München. Dass dies den Druck auf den Wohnungsmarkt erhöht und den Bedarf an Wohnraum dramatisch erhöht, ist ziemlich einleuchtend. Ein bezahlbares Zuhause, egal ob zur Miete oder zum Kauf, ist die soziale Frage unserer Zeit geworden.

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Tatsächlich müsste der alte Ikea-Slogan, der einst den Segen der eigenen vier Wände verhieß, heute lauten: „Suchst Du noch, oder resignierst Du schon?" Für viele, die nicht vor ein paar Jahren den Sprung ins Eigenheim geschafft haben, sind die großen Lebensträume wahrscheinlich immer noch genau das: Träume. Und leider sind diese heute schwerer zu erreichen als noch vor drei oder vier Jahren.

Aber nicht alles ist in diesen Wochen ein Versagen der Politik. Die Preisexplosion im Bau, die hohe Inflation und der Zinsanstieg gehen nicht auf das Konto der Ampel-Koalition. Ihr Neubauziel war wohl von Anfang an zu hoch gegriffen, doch es hätte in die richtige Richtung gehen können - ohne Krieg, ohne Inflation und ohne Zinswende. Umgekehrt folgt daraus aber auch nicht: Auf dem Bau trägt die Regierung gar keine Verantwortung. Natürlich tut sie das.

Denn nun zeichnet sich eine neue Wende ab, den meine Kollegen für den Immobilienkompass detailliert recherchiert haben: Die Bauzinsen sind bereits gefallen, die Verkaufspreise auch. Selbst bei den Baukosten gehen manche Unternehmen wieder runter, um an neue Aufträge zu kommen. Es sieht so aus, als könnte sich die Lage am Immobilienmarkt nach zwei Jahren wieder etwas entspannen. Wer sich den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung leisten kann, für den gibt es jetzt ein günstiges Zeitfenster - bevor die Kaufpreise wieder deutlich steigen. 

Für Mieter hingegen, für die der Umzug in die eigenen vier Wände unerschwinglich bleibt, kann und muss der Staat etwas tun, und zwar dringend und mehr als bisher. Denn solange die Nachfrage nach Wohnraum gerade in den großen Städten so viel größer ist als das Angebot, werden die Mieten weiter deutlich steigen.

Um diesen Neubau für Mietwohnungen wieder anzukurbeln, braucht es wahrscheinlich gar nicht so sehr neue Milliardenprogramme. Sondern vielmehr einfachere Bauvorschriften, günstigere Rahmenbedingungen, weniger Auflagen - und mehr Bauflächen. All das muss gar nicht viel kosten. Zusammen mit privaten Investoren, die dann vielleicht nicht mehr für 5000 oder 6000 Euro, sondern wieder für 4000 Euro den Quadratmeter Wohnfläche bauen können, wäre das eine echte Wende am Immobilienmarkt. Eine, die das Land wirklich braucht.  

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