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Taylor Swift: Verarbeitet sie im neuen Album ihre Beziehung zum Ex-Freund? - WELT

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„Es gibt Neues von Taylor Swift" ist eigentlich schon lange keine Nachricht mehr. Neuigkeiten über die Sängerin ploppen spätestens seit der Ankündigung ihrer Eras-Welttournee im Stakkato-Takt auf. Wieder einen Rekord gebrochen, eine Inflation in Schweden und ein Erdbeben in Seattle verursacht? Wieder Händchen haltend mit ihrem neuen Freund Travis Kelce gesichtet? Wer kein Swiftie ist, dürfte bei dem Bild der Sängerin im Newsfeed nur noch müde blinzeln. Doch jetzt könnte es sich lohnen, wieder wach zu werden: Swift hat gerade ihr elftes Album veröffentlicht und zwei Stunden später direkt das nächste nachgeschoben. „The Tortured Poets Department" ist eine Anthologie mit 31 Songs und zwei Stunden Hörlänge geworden.

Wer wollte, konnte die Hinweise schon früh erkennen. Seit der Verkündung ihres Albums hat Swift, die gerne mit Zeichen und Symbolen spielt, immer wieder zwei Finger in die Luft gehalten und so die Theorie-Maschine des Internets angeheizt. Schließlich gab es einen Countdown bis zum Release auf der Instagramseite der Amerikanerin und das Versprechen, dass es um 2 Uhr morgens (EST) eine besondere Überraschung geben würde. Nicht wenige ihrer Fans werden wach geblieben und die Sekunden heruntergezählt haben. Denn dieses Album war noch heißer erwartet worden als vielleicht alle davor. Der Grund dafür ist Joe Alwyn. Ein britischer Schauspieler („The Favourite") und Taylor Swifts Ex-Freund. Sechs Jahre waren sie zusammen, bis die Sängerin sich schließlich trennte, weil sie, glaubt man den Swifties, nicht länger auf einen Antrag warten wollte. Swift ist bekannt dafür, über ihre Ex-Freunde und damit besonders nahbare Trennungs-Songs zu schreiben. Die Erwartung des Fans war also, zynisch formuliert, dass nach sechs Jahren und einer enttäuschten Hoffnung auf Ewigkeit der Schmerz und damit die Kunst besonders groß sein müsse. Eine Vorfreude auf Gossip war sicher auch dabei.

Nun ist das Album da und mit ihm eine Widmung von Swift auf ihrer Instagramseite: „Wenn wir unsere traurigste Geschichte erzählt haben, können wir uns von ihr befreien." Dieser Prämisse treu bleibend ist das Werk durchzogen von Balladen, in denen das Lyrische Ich über eine verlorene Liebe singt, mal wütend („The Smallest Man Who Ever Lived"), mal traurig („loml"), mal trotzig („I Can Do It With a Broken Heart"). Verglichen mit ihrem letzten Album „Midnights", auf dem sich die Sängerin von Lana del Rey und Billie Eilish inspirieren ließ, klingt dieses wieder klassischer, wieder mehr nach der alten Taylor Swift mit verträumten Reimen und Pop-Balladen. Die Bilder, die das Album begleiten, sind in einer Art Sepiabraun gedeckt gehalten. Textlich wie bildlich kommen viele sakrale Elemente vor. Es geht ums Sterben, Gräber und Altäre. Wenn Swift schreibt, dass die Autorin mit diesem Album ein Kapitel nicht nur abschließt, sondern zunagelt, kommt man nicht um das Gefühl umhin, mit dem Hören der Lieder einer Beerdigung beizuwohnen.

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Dass es die Beerdigung ihrer Beziehung zu Joe Alwyn ist, wollten die Fans schon vor der Veröffentlichung in sogenannten „Easter Eggs" erkennen, versteckten Hinweisen und Symbolen, für die Swift bekannt ist. Hier eine kurze Sammlung von Swiftie-Theorien: Da ist das Releasedatum am 19. April. Auf den Tag genau ein Jahr nachdem Swift Alwyn auf Instagram entfolgt sei. Dann noch der Titel des Albums. Etwa eine Anspielung auf die Whats-App-Gruppe Alwyns mit seinen Männerfreunden, die, wie er mal in einem Interview erzählte, „The Tortured Man Club" heißt?

Um noch mehr Raum für Spekulationen zu schaffen, ließ Swift einen solchen vor wenigen Tagen in Los Angeles buchstäblich errichten: eine Art Miniausstellung, bestehend aus einem Schreibzimmer, mit Bücherregalen, einem Globus und einem kleinen Tisch samt Schreibmaschine, neben der eine Lupe liegt. Eine überflüssige Ermutigung, die Swifties suchen von ganz allein. Warum auch nicht, wenn man zuverlässig mit Finden belohnt wird: Wer die Regalfächer in der Mitte des Schreibraums zählt, kommt auf 72. Die Anzahl der Monate, die das Paar zusammen war. Die Liste der Anspielungen und Interpretationen geht noch lange weiter. Kein Wunder, dass die Tageszeitung „USA Today" einen eigenen Swift-Reporter engagiert hat.

Die Eiersuche

Selbst jemand, der sich nicht tagtäglich mit dem Liebesleben von Taylor Swift beschäftigt, beginnt so automatisch in den Zeilen und Klängen zu graben. Denn Swifts Referenzen sind teilweise zauberhaft. So beginnt sie „So long London" mit heller Stimme einzelne Silben in einem Rhythmus betonend, der an das Geläut von Kirchenglocken erinnert. Sie singt davon, wartend am Altar gestorben zu sein, von zwei Gräbern und einer Pistole, dass ihr Rückgrat dabei gebrochen sei, sie und den anderen den Hügel hochzuschleppen.

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Als Beyoncé 2016 ihr Album „Lemonade" veröffentlichte, und alle sich fragten, ob es darin um einen vermeintlichen Ehebruch ihres Mannes ging, echauffierte sich manch Musikjournalist, dass das doch nichts mit der Musik zu tun habe und man endlich lernen müsse, Kunst und Künstler zu unterscheiden. Ein immer wieder in der Kunst erklingender Appell, der bei Taylor Swift absurd erscheint. Zu eifrig befeuert sie das Suchen nach der Künstlerin in ihrer Kunst, betont in Interviews immer wieder, über ihre Ex-Freunde zu schreiben. Allerdings bleibt die Frage, ob sich nicht die Prioritäten komisch verschoben haben, wenn das Hören neuer Songs einer Ostereier-Suche nach Ex-Partnern gleichkommt. Wo versteckt sich welcher?

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Die Eiersuche ist nicht Swifts einziger Marketing-Coup. In Zeiten sinkender Plattenverkäufe und schlecht bezahlter Streams beweist sie Kreativität: Swift verkauft gleich vier Versionen ihres neuen Albums - jede mit einem anderen Zitat und einem anderen Bonustrack versehen, der auf Spotify vorerst nicht zu hören sein wird. Natürlich haben die Swifties für die Verkaufsstrategie noch einen besseren Grund parat: Jede Version soll für eine andere Phase der Trauer stehen: Leugnen, Zorn, Verhandeln und Depression.

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Und dann macht Swift doch wieder deutlich, dass es eben nicht einfach sie ist, die hier schreibt, sondern eine gequälte Poetin in einer Reihe anderer gequälter Poeten. Es soll die Momentaufnahme eines Lebensabschnittes sein. So ist es zwar Swift die das Album geschrieben hat, aber gleichzeitig auch nicht, da der Moment samt Schreibendem und seiner Verfassung vergangen sind: „Diese Autorin ist der festen Überzeugung", schreibt Swift im Begleittext auf Instagram, „dass unsere Tränen in Form von Tinte auf einem Blatt heilig werden."

Ihre religiösen Verweise - sie singt zudem über Schuld und Sühne, über das Wegrollen eines Steins, um dann doch gekreuzigt zu werden („Guilty As Sin") - passen nicht nur deshalb perfekt, weil ein Pfarrer in Heidelberg gerade Gottesdienste mit Swifts Liedern plant. Sondern weil es einen Scheinwerfer auf die Beziehung zwischen ihr und ihren Fans wirft: Wer suchet, der findet. Und dann ist es eigentlich auch egal, dass das Album literarisch interessanter geworden ist als musikalisch.

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