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Hessen: AfD ist jetzt sicher: Corona-Untersuchungsausschuss kommt

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Stand: 24.04.2024 18:02 Uhr

Die AfD sieht sich am Ziel, einen Corona-Ausschuss im hessischen Landtag durchzusetzen. Ihre Kritiker stört ein dubioser Möglichmacher und die Aussicht auf ein Schaulaufen von Aluhut-Trägern.

Die AfD hat nach eigenen Angaben die Voraussetzungen erfüllt, um in der nächsten Landtagssitzung am 14. Mai die Einsetzung eines hessischen Corona-Untersuchungsausschusses durchzusetzen. Fraktionschef Robert Lambrou hielt am Mittwoch im Landtag in Wiesbaden den Antrag mit den Unterschriften von 27 Abgeordneten hoch.

Das entspricht der gesetzlich vorgegebenen Marke von mindestens einem Fünftel aller 133 Landtagsabgeordneten, die für einen Untersuchungsaussschuss eintreten müssen. Da die AfD selbst nach einem Austritt noch 26 Fraktionsmitglieder hat, war sie auf zusätzliche Unterstützung angewiesen.

Als Einziger unterschrieb der AfD zufolge noch der fraktionslose Ex-AfDler Sascha Herr, mit dem sie im Landtag offiziell nicht zusammenarbeiten will. Er hatte die Partei verlassen, nachdem Neonazi-Kontakte bekannt wurden.

Ein Heilungsversuch?

Aufgrund beispielloser Einschränkungen von Grundrechten sei die Einsetzung eines Corona-Ausschusses ein "Dienst an der Demokratie", sagte Lambrou. Er gab sich enttäuscht, dass die anderen Parteien den Antrag nicht unterstützten. Man wolle mit der Aufarbeitung auch eine "tiefe gesellschaftliche Spaltung" ein Stück weit heilen.

Der Auftrag an den Ausschuss soll 43 Punkte enthalten. Veröffentlicht wurden sie am Mittwoch von der AfD ebenso wenig wie der gesamte Antrag. Denn der werde von der Landtagsverwaltung noch geprüft.

"Es geht um die Aufklärung und Beurteilung aller Maßnahmen, gesetzlichen Regelungswerke und öffentlichen Stellungnahmen, welche zur Bekämpfung des Coronavirus ergangen sind" - so fasste Volker Richter, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD, die dem Untersuchungsausschuss zugedachte Aufgabe zusammen.

Es könnte Jahre dauern

Die AfD hatte zuvor geltend gemacht, an einer ergebnisoffenen Aufarbeitung interessiert zu sein. Nun sprach ihr Vize-Fraktionschef Andreas Lichert von einer "erratischen und wissenschaftlich nicht gedeckten Corona-Politik" und vom "Anfangsverdacht, dass gravierende Fehler gemacht wurden". Von "Angst und Panik" sei die Politik getrieben gewesen, beklagte ihr bildungspolitischer Sprecher Heiko Scholz.

Dass die AfD sich die eine fehlende Unterschrift vom umstrittenen Abgeordneten Herr verschaffte, will Fraktionschef Lambrou nicht als Bruch des Versprechens gewertet wissen, nicht mit dem Ex-Parteifreund zusammenzuarbeiten. Man habe mit ihm nur über Dritte Kontakt gehabt. Zudem seien ja auch alle anderen Landtagsabgeordneten zum Unterschreiben eingeladen worden.

Ein Schwerpunkt der Ausschussarbeit sollen unter dem Stichwort "Verschuldungsorgie" die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen sein. Außerdem will die Partei die Impfungen und die Zulassung der Impfstoffe thematisieren, aber auch die Schließung von Schulen sowie von Freizeiteinrichtungen mit ihren Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Geht es nach den Erwartungen der AfD, geht das Gremium in der zweiten Hälfte dieses Jahres an den Start. Zur Dauer sagte Richter: "Dafür werden wir mehrere Jahre brauchen."

FDP warnt vor Bühne für Aluhut-Träger

Von den übrigen Parteien im Landtag bezog die AfD die schon früher geäußerte scharfe Kritik, ihr gehe es in Wirklichkeit nicht um Aufklärung. "Es steht zu befürchten, dass die AfD den Untersuchungsausschuss für rechte Showzwecke missbraucht und zur Bühne für Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger macht", sagte Oliver Stirböck, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP.

Ähnlich sah es auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Kathrin Anders. Sie wies darauf hin, dass der AfD-Antrag von der Unterstützung des fraktionslosen Abgeordneten Herr abhing. Ein solches Gremium brauche es in Hessen erst recht nicht, wenn es die AfD "von Gnaden eines Abgeordneten mit Kontakten zur Neonazi-Szene" zustande bringe.

Die SPD kündigte an, sie werde sich gemeinsam mit den "anderen demokratischen Fraktionen" der Herausforderung stellen, dass die Sitzungen "nicht zu einem Schaulaufen für Rechtsextreme, Querdenker, QAnon-Jünger und andere Verschwörungstheoretiker werden".

Die AfD wies die Vorwürfe zurück, sie treibe entgegen ihrer Rhetorik die Spaltung der Gesellschaft voran. "Wir werden garantiert keine Schlammschlacht entfachen, wenn das die anderen auch nicht tun", sagte der Abgeordnete Scholz. Das Bedürfnis, das Thema aufzugreifen, "ist in der Gesellschaft mit Händen zu greifen", ergänzte Vize-Fraktionschef Lichert.

"Breites Expertenfeld" angekündigt

15 Mitglieder soll der Untersuchungsausschuss haben. Die AfD selbst würde drei davon stellen und hätte somit ein Fünftel der Stimmen zusammen. Die sind mindestens nötig, um Beweisanträge durchbringen - wenn es etwa um die Ladung von Zeugen geht.

Bei der Frage, wen die AfD im Ausschuss befragen will, hielt sie sich bedeckt. Mit Gewissheit sollen es auch Regierungsmitglieder der während der Pandemie regierenden schwarz-grünen Koalition sein. Dazu zählen etwa der frühere Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Ex-Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne).

Bouffiers Warnung vor Tribunal

In der bundesweit laufenden Debatte über eine Aufarbeitung der Corona-Politik hatte Bouffier vor kurzem im hr zwar seine Bereitschaft zur Mitarbeit signalisiert. "Es ist vernünftig, wenn man nach einer so einzigartigen Krise überlegt: Was haben wir gut gemacht, was ist vielleicht nicht gut gelaufen, was können wir zukünftig besser machen", sagte er.

Einen Untersuchungsausschuss lehnte er allerdings ab. Er sprach sich für eine Enquete-Kommission aus Politikern und Wissenschaftlern aus, wie sie auf Bundesebene diskutiert wird. Sinnvoll sei eine Analyse der Corona-Politik nur, wenn es nicht um eine Schuldfrage gehe. "Dann garantiere ich Ihnen, kommt nichts heraus", sagte er.

Eine Kommission könne helfen, "die eine oder andere Verschwörungstheorie zu entkräften" und zu erklären, warum Entscheidungen zum jeweiligen Zeitpunkt getroffen worden seien. Inzwischen werde zu oft vergessen, dass es vor allem um das Verhindern von Todesfällen gegangen sei. Das Land sei auch im Großen und Ganzen durch die Pandemie "ganz gut durchgekommen", so Bouffier.

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