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Bericht: keine Beweise für signifikante Hamas-Unterwanderung der UNRWA.

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Den Hauptvorwurf Israels entkräftet der von den Vereinten Nationen in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht über das Palästinenserhilfswerk UNRWA, der am Montag in New York vorgestellt wurde. Demnach habe Israel bisher keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Organisation von einer signifikanten Anzahl an Terroristen der Hamas oder des Islamischen Dschihad unterwandert worden sei. In puncto Neutralität gebe es bei dem Hilfswerk Verbesserungsbedarf, es verfüge jedoch über robuste Mechanismen, seine politische Unabhängigkeit zu wahren.

Das israelische Außenministerium wies das in einer ersten Reaktion scharf zurück: Das "enorme Ausmaß der Unterwanderung" des Hilfswerks durch die Hamas werde darin nicht berücksichtigt. Der Bericht "ignoriert die Schwere des Problems", hieß es. "So sieht ein Versuch aus, dem Problem auszuweichen und es nicht direkt anzugehen."

:US-Regierung ruft zum friedlichen Protest an Unis auf

Bei propalästinensischen Protesten an Dutzenden US-Hochschulen gibt es inzwischen Hunderte Festnahmen. Die Regierung in Washington versucht zu beschwichtigen. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen nimmt ihre Arbeit im Gazastreifen wieder auf.

Bereits im Januar hatte Israel mitgeteilt, dass zwölf UNRWA-Mitarbeiter an den Terroranschlägen vom 7. Oktober des vergangenen Jahres beteiligt gewesen seien. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini sagte in der vergangenen Woche in New York, dass diese umgehend entlassen worden seien. Zwei von ihnen seien seither bei den Kämpfen im Gaza-Streifen ums Leben gekommen. Im März behauptete Israel, dass mehr als 450 Mitglieder von Terrorgruppen bei der Hilfsorganisation angestellt seien. 16 Staaten, darunter die USA und Deutschland, hatten daraufhin die Zahlungen eingestellt.

Neun Wochen lang wurde mit allen Seiten gesprochen

Die Vereinten Nationen haben daher eine unabhängige Kommission unter Vorsitz der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna eingesetzt, um die israelischen Vorwürfe zu prüfen. In den vergangenen neun Wochen habe man mit mehr als 200 Menschen gesprochen, darunter hochrangige Mitarbeiter des Hilfswerks, israelische Offizielle, Vertreter von Geber- und Anrainerstaaten sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde. Alle Gesprächspartner seien äußerst kooperativ gewesen, sagte Colonna am Montag. Man habe insgesamt 50 Empfehlungen abgegeben, wie die Arbeit der Organisation verbessert werden könne. Ihr Wirken in der Region sei "unersetzlich und unverzichtbar", heißt es in dem Abschlussbericht.

Das Palästinenserhilfswerk wurde 1949 gegründet. Es ist einzigartig unter den UN-Organisationen, weil es einer einzigen Bevölkerungsgruppe hilft. Es beschäftigt 32 000 Menschen in der Region, davon 13 000 im Gazastreifen. Mehr als 98 Prozent sind Ortskräfte. Das Hilfswerk betreibt Schulen und Krankenhäuser, es stellt die soziale Infrastruktur. Im Moment ist seine vordringlichste Aufgabe, mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza mit Nahrungsmitteln zu versorgen. In der Region droht infolge des Krieges eine Hungersnot.

Alle Gesprächspartner seien äußerst kooperativ gewesen, sagt die Vorsitzende der UNRWA-Untersuchungskommission, die französische Außenministerin Catherine Colonna. (Foto: Hussein Malla/AP)

Israel hat immer wieder argumentiert, dass die Hamas insbesondere die Schulen und die Krankenhäuser als Deckung benutze. Im Plan des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu für eine Nachkriegsordnung ist eine Abschaffung der UNRWA vorgesehen. Diese perpetuiere den Status der Palästinenser als Flüchtlinge, sagt er. Der um scharfe Töne nie verlegene israelische UN-Botschafter Gilad Erdan sagte in der vergangenen Woche bei einer Sitzung des Sicherheitsrats in New York: "UNRWA ist Hamas, und Hamas ist UNRWA." Israel werde dem Hilfswerk nicht erlauben, seine Arbeit wie in der Vergangenheit fortzusetzen.

"Eine Rettungsleine für palästinensische Flüchtlinge in der Region", sagt der UN-Chef

Dem Colonna-Bericht zufolge habe die UNRWA jährlich Listen ihrer Mitarbeiter an Israel, Syrien, Libanon, Jordanien und die Palästinensischen Autonomiebehörde übermittelt. Auf Wunsch hätten auch die Vereinigten Staaten eine Liste erhalten. Israel habe seit 2011 keine Einwände erhoben. Eine Empfehlung des Reports lautet nun, die Listen von Mitarbeitern vierteljährlich zu übermitteln. Die Sicherheitsbehörden der Empfänger sollten diese überprüfen und gegebenenfalls Bedenken anmelden.

Weitere Verbesserungsvorschläge betreffen zum Beispiel das in den Schulen benutzte Unterrichtsmaterial. Ein kleiner Teil davon sei anti-israelisch, hier müsse die Organisation unter allen Umständen die Neutralität wahren. Gleiches gelte für Nachrichten in sozialen Medien von Mitarbeitern, in denen diese politische Ansichten äußern. Das müsse unterbleiben, selbst wenn Freunde und Familie unmittelbar vom Krieg betroffen seien. Im Zuge der israelischen Angriffe in Gaza sind laut palästinensischen Angaben bisher mehr als 34 000 Menschen ums Leben gekommen. Darunter waren laut UNRWA-Chef Lazzarini 178 Mitglieder des Palästinenserhilfswerks. Bei dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober wurden laut israelischen Angaben 1200 Menschen auf teils brutalste Weise getötet.

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Empfehlungen des Berichtes begrüßt. Er rief dazu auf, das Hilfswerk aktiv zu unterstützen, da es "eine Rettungsleine für palästinensische Flüchtlinge in der Region" sei. Tatsächlich haben die meisten Geberländer die Zahlungen wieder aufgenommen. Die USA als wichtigster Geldgeber werden dem Hilfswerk jedoch frühestens im März 2025 wieder Geld zukommen lassen. Das hatte der Kongress nach den israelischen Vorwürfen vom März beschlossen. Für die UNRWA ist das problematisch, weil die USA mit jährlichen Zahlungen von 300 bis 400 Millionen Dollar die mit weitem Abstand größten Geldgeber waren. Die Europäische Union überweist in diesem Jahr 150 Millionen Euro.

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