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Kadewe-Gruppe war schon seit Jahren ein "lebendiges totes Unternehmen"

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Analyse der Geschäftsberichte - Kadewe-Gruppe war schon seit Jahren ein "lebendiges totes Unternehmen"

Do 18.04.24 | 06:09 Uhr | Von Ute Barthel und Wolf Siebert

Video: rbb24 Abendschau | 18.04.2024 | Nachrichten | Bild: dpa/Ponizak

Für ihre wirtschaftliche Talfahrt macht die Kadewe-Gruppe hohe Mieten verantwortlich. Eine Auswertung der Geschäftsberichte deutet jedoch eher auf jahrelange Umsatzprobleme hin. Von Ute Barthel und Wolf Siebert

Am 29. Januar 2024 stellt die Kadewe-Gruppe einen Insolvenzantrag. Die Pleite trifft Luxus-Kaufhäuser in drei großen Städten: das Kadewe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München. Noch am selben Tag nennt der Geschäftsführer der Gruppe, Michael Peterseim, Gründe für den Insolvenzantrag: Die exorbitant hohen Mieten an diesen Standorten würden ein "nachhaltig ertragreiches Wirtschaften nahezu unmöglich" machen, heißt es in einer Pressemitteilung. Es stehe aber "außer Frage, dass die Gruppe bei normalen Mieten eine starke Zukunft haben kann", so Peterseim.

Unabhängig überprüfen ließen sich diese Aussagen lange nicht, denn seit 2016 hatte das Unternehmen keine Jahresabschlüsse mehr veröffentlicht. Erst Mitte Februar 2024 reicht die Kadewe-Gruppe die Berichte nach. Wirtschaftsexperten, die diese Jahresabschlüsse nun analysiert haben, bezweifeln, dass allein die hohen Mieten die KaDeWe-Gruppe in die Pleite getrieben haben.

Bilanzrating: "Jenseits von Gut und Böse"

Die Jahresabschlüsse zeigen, dass die Verluste der Luxuskaufhaus-Marke in den vergangenen Jahren immer größer geworden waren. 2015 lagen sie bei rund 8 Millionen Euro, 2017 bei rund 14 Millionen Euro, 2019 bei rund 36 Millionen und 2022 bei ca. 72 Millionen Euro. "Diese Entwicklung ist ein wirtschaftliches Desaster", bilanziert Wirtschaftsprüfer Karl-Heinz Wolf. Nach Analyse der Geschäftsberichte ist Wolf überzeugt, dass die KaDeWe-Gruppe schon 2020 eigentlich nicht mehr kreditwürdig war.

Auch Wirtschaftsexperte Harald Krehl teilt diese Einschätzung. Er hat anhand der Geschäftsberichte sogenannte Bilanzratings für die Jahre 2016 bis 2022 erstellt. Banken nutzen Bilanzratings, wenn sie entscheiden müssen, ob ein Unternehmen kreditwürdig ist oder nicht. Im Kern geht es dabei um die sogenannte "Ausfallwahrscheinlichkeit" - das heißt, wie hoch das Risiko ist, dass das Unternehmen seinen Kredit und die Zinsen nicht zurückzahlen kann. Krehls Einschätzung: "Die Kadewe-Gruppe zeigt in allen Jahren die schlechteste Ratingkategorie, mit Ausfallwahrscheinlichkeiten bezogen auf ein Jahr von 23 Prozent bis zuletzt 54 Prozent. Das ist jenseits von Gut und Böse."

Ein Unternehmen wird üblicherweise schon ab einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 3 bis 4 Prozent in die schlechteste Ratingklasse eingeordnet. Die Kadewe-Gruppe wäre laut Krehl schon lange nicht mehr in der Lage gewesen, aus eigener Kraft Zins und Tilgung für größere Kredite zu erwirtschaften. "Das ist ein lebendiges totes Unternehmen, das nur noch durch die Finanzierungen von außen durch die Gesellschafter existiert", fasst Krehl sein Ergebnis zusammen.

Hohe Mieten allein nicht ausschlaggebend

Dass die Kadewe-Gruppe ohne Zuschüsse durch die Gesellschafter eigentlich "tot" war, lag nach Ansicht von Karl-Heinz Wolf vor allem an sinkenden Umsätzen. Es habe einfach nicht genügend Käufer in den Luxus-Warenhäusern gegeben - und das auch schon vor der Corona-Pandemie, sagt er. So waren die Umsätze schon 2019 gegenüber dem Jahr 2015 um gut ein Viertel zurückgegangen. "Da fehlt also richtig Geld", sagt Karl-Heinz Wolf.

Die Pressestelle der Kadewe-Gruppe äußert sich gegenüber rbb24 Recherche nicht zu den Analysen von Wolf und Krehl und verweist auf eine Antwort der Central-Group, dem Mehrheitsgesellschafter der KaDeWe-Gruppe. Dort spricht man von "operative(n) Einschränkungen" während einer Modernisierungsphase, in der die Warenhäuser umgebaut wurden, um mehr Kunden anzulocken. Danach seien die Umsätze gestiegen: "Das Geschäftsjahr 2022/23 war das umsatzstärkste der Gruppe mit einem Bruttotransaktionswert von 728 Millionen Euro, was einem Anstieg von 27 Prozent gegenüber 2015/16 entspricht."

Insolvenz trotz Rekordumsatz?

Der "Bruttotransaktionswert" bezeichnet den gesamten Umsatz, der in einem Kaufhaus gemacht wird - inklusive des Umsatzes von Firmen, die sich dort eingemietet haben. Handelsexperte Gerrit Heinemann hält den Verweis auf diesen Wert für Schönfärberei, denn in den Luxus-Kaufhäusern der Kadewe-Gruppe in Berlin, Hamburg und München seien in den vergangenen Jahren immer mehr Flächen an andere Firmen vermietet worden. Daher stieg der Anteil dieser Mieter am Gesamtumsatz bzw. Bruttotransaktionswert zwischen 2015 und 2022 von 40 auf 53 Prozent an.

Gerrit Heinemanns schätzt deshalb, dass auch im Geschäftsjahr 2023 die Hälfte des Bruttotransaktionswertes auf das Konto dieser Mieter geht. "Die 728 Millionen Euro sagen also wenig über den eigenen wirtschaftlichen Erfolg der Kadewe Gruppe aus. Sie hat den Umsatz der Mieter quasi als Teil des eigenen Umsatzes ausgewiesen", so Heinemann. "Also das hat mehr als ein Geschmäckle und dient sicherlich auch der geschönten Darstellung der Situation." Da der Jahresabschluss noch nicht vorliegt, kann diese Bewertung nicht mit Sicherheit bestätigt werden.

Eigentümer Signa treibt Mieten in die Höhe

Die Immobilien der Luxus-Kaufhäuser in Berlin, München und Hamburg gehörten bis vor Kurzem zur Signa. Die Kadewe-Gruppe war also nicht Eigentümer der Gebäude, sondern betrieb nur das Warenhausgeschäft. In diesem Unternehmen war die Signa wiederum Minderheitsgesellschafter, die Mehrheit der Anteile an der Kadewe-Gruppe hielt die thailändische Central-Group.

Die Signa als Eigentümer der Immobilien hatte mit der Kadewe-Gruppe langfristige Staffelmietverträge mit sehr hohen Mietsteigerungen abgeschlossen. Diese hohen Mieten setzten die Luxuskaufhäuser neben dem Umsatzrückgang unter Druck. Für die Signa als Eigentümer der Immobilien waren die hohen Mietforderungen aber enorm wichtig. Hohe Mieteinnahmen steigern den Wert einer Immobilie. Damit steigt dann auch der Wert des gesamten Unternehmens, und das ermöglicht wieder neue Kredite für neue Immobilien.

Wurde die wirtschaftliche Lage verschleiert?

Bei der Analyse der Geschäftsberichte haben Karl-Heinz Wolf und Harald Krehl auch Hinweise gefunden, dass die Kadewe-Gruppe tatsächlich nur einen Teil der vereinbarten hohen Mieten aus dem eigenen Geschäft finanzieren musste. In den Jahresabschlüssen stießen die beiden Wirtschaftsexperten auf sogenannte "Mietkompensationszahlungen", welche die Kadewe-Gruppe jahrelang von ihrem Vermieter Signa erhalten hat. Begründet werden diese Zahlungen von insgesamt gut 140 Millionen Euro mit der Modernisierung und dem Umbau der Kaufhäuser.

Hätte der Eigentümer Signa die Miete reduziert, wäre der Wert der Immobilien gesunken - und damit wohl auch die Chance, neue Kredite zu bekommen.

Gerrit Heinemann findet dieses Vorgehen problematisch, "weil den Banken gegenüber eine bessere Situation dargestellt wird mit dem höheren Immobilienwert und dem entsprechend erhöhten Eigenkapital, als es tatsächlich der Fall ist, um an weitere Kredite zu kommen". Ob den Banken tatsächlich auf diese Art erhöhte Immobilienwerte vorgespiegelt wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Nach Ansicht von Gerrit Heinemann lag es also nicht nur an den Mieten, dass das Unternehmen immer tiefer in die roten Zahlen geriet. "Selbst wenn die Kadewe-Gruppe keine Miete in der Größenordnung von 60 Millionen bezahlt hätte, hätte sie trotzdem noch Verluste geschrieben."

Hätte das Unternehmen seine Geschäftsberichte regelmäßig veröffentlicht, wäre mutmaßlich schon weit früher aufgefallen, dass die Kadewe-Gruppe eigentlich nicht kreditwürdig war. Trotzdem erhielt sie im Corona-Jahr 2020 noch einen Bankkredit über 90 Millionen Euro, abgesichert durch eine Staatsbürgschaft vom Bund und den Bundesländern Berlin, Hamburg und München. Ein Jahr später gab es noch 52 Millionen Euro Corona-Überbrückungshilfe. Aber auf welcher Aktengrundlage wurde die wirtschaftliche Situation der KadwWe-Gruppe geprüft? Hätten angesichts der hohen Verluste und der bilanziellen Überschuldung nicht alle Alarmglocken schrillen müssten? Anfragen von rbb24 Recherche beantworten weder die Senatsverwaltung für Finanzen noch das Bundeswirtschaftsministerium, da "es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens handelt."

Die Prüfung erfolgte durch den Bundesmandatar pwc. Das Unternehmen ist eine der führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland. Laut Presseberichten hatte pwc in seinem Gutachten zum Bürgschaftsantrag gewarnt, dass die Kadewe-Gruppe, "den Nachweis eines profitablen Geschäftsmodells schuldig geblieben" sei.

Hintergrund zu den befragten Experten

Harald Krehl arbeitete 35 Jahre in leitender Position in der Datev eG, dem IT-Dienstleister für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er war von 2006 bis 2010 als ordentlicher Professor an der FH in Calw tätig und hat zahlreiche Fachpublikationen veröffentlicht.

Karl-Heinz Wolf ist Wirtschaftsprüfer und ehemaliger Partner einer mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ehemaliges Vorstandsmitglied der Wirtschaftsprüfergesellschaft "Morison International" sowie war früher Dozent an der University of Apllied Science Saarbrücken für den Fachbereich Konzernrechnungslegung.

Gerrit Heinemann ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Er zählt zu den renommiertesten Handelsexperten in Deutschland.

Sendung: rbb24, 18.04.2024, 16 uhr

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