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UNRWA: Untersuchung entlastet Palästinenserhilfswerk

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Es dauerte eine Weile, bis in der Nacht zu Dienstag die Antwort aus Israel kam. Die Hamas habe das Palästinenserhilfswerk UNRWA so tiefgehend infiltriert, dass man nicht länger sagen könne, „wo UNRWA ende und die Hamas beginne", teilte das israelische Außenministerium über die Plattform X mit. Der Untersuchungsbericht, den die frühere französische Außenminister Stunden zuvor in New York vorgestellt hatte, ignoriere die Schwere des Problems und biete nur kosmetische Lösungen an. Israel fordere alle Geberländer auf, ihre Steuergelder nicht weiter an UNRWA weiterzuleiten, da diese bei der Terrororganisation Hamas lande.

Mit einiger Spannung war der Bericht der unabhängigen Kommission unter Leitung der früheren französischen Außenministern Catherine Colonna erwartet worden. UN-Generalsekretär António Guterres hatte die Gruppe Anfang Februar eingesetzt, nachdem Israel schwere Vorwürfe gegen das Palästinenserhilfswerk im Gazastreifen erhoben hatte und zahlreiche Geberländer, darunter auch Deutschland, weitere Zahlungen aussetzten. Die Kommission sollte alle UNRWA-Strukturen untersuchen und Empfehlungen abgeben, wie das Hilfswerk seine Neutralität wahren und jede Verstrickung mit der Terrororganisation vermeiden kann.

Mehr internationales Personal wäre teuer

In dem Bericht finden sich nun zahlreiche Beobachtungen, die das extrem schwierige Terrain abzeichnen, auf dem UNRWA und andere UN-Organisationen vor allem im von der Hamas beherrschten Gazastreifen agieren. Dazu gehört etwa die Tatsache, dass UNRWA einen viel größeren Anteil an Ortskräften hat als andere UN-Organisationen. Nur 0,8 Prozent der insgesamt 32.000 UNRWA-Mitarbeiter sind internationale UN-Kräfte, 99,2 Prozent wurden aus der lokalen palästinensischen Bevölkerung rekrutiert.

Das liegt zum einen an den speziellen Aufgaben des Hilfswerks, das Hunderte Schulen und Gesundheitseinrichtungen selbst betreibt - zum anderen aber auch an der chronisch schlechten Finanzierung: Da UNRWA von freiwilligen Beiträgen der Geberländer abhängt, war die Führungsebene schon lange gezwungen, möglichst schlanke Managementstrukturen zu etablieren und auf teures internationales Personal zu verzichten. Das brachte dem UNRWA Lob für seine im Vergleich zu anderen UN-Organisationen effizienten Strukturen ein, kam aber zu dem Preis, dass die lokalen Palästinenser, die in ihrem Leben meist persönlich durch den Konflikt mit Israel geprägt waren, teilweise unter sich waren.

Colonna stellte bei der Vorstellung ihres Berichts klar, dass es in Zukunft mehr internationales Personal brauche, vor allem auf der Managementebene. Zudem müssten interne Kontrollinstanzen deutlich gestärkt und erweitert werden. Auch Weiterbildung und Training, gerade im sensiblen Bereich der politischen Neutralität, listet der Bericht auf. Das bedeutet freilich Bürokratie und deutlich höhere Kosten.

Kein Geld für zeitgemäße Ermittlungssoftware

Nachholbedarf sieht die Kommission auch beim Umgang mit dem eigenen Personal und bei der Ermittlung bei Vorwürfen. Auch wenn UNRWA insgesamt über einen im Vergleich zu anderen Organisationen hohen Standard verfüge, findet sich einiger Verbesserungsbedarf. Vor allem die Äußerungen von UNRWA-Mitarbeitern in sozialen Medien stellen ein großes Problem dar. Israel und verschiedene NGOs haben immer wieder Beiträge von UNRWA-Leuten zusammengetragen, die die Hamas stützen und Hass gegen Israel schüren.

Die Kommission plädiert dafür, Prozeduren zu schaffen, um solchen Vorwürfen nachzugehen, und das Personal regelmäßig zu überprüfen. Auch die Social-Media-Aktivitäten der Mitarbeiter müssten im Blick behalten werden. Hierfür fehlen bislang ausgereifte Verfahren und ein funktionierender Schutz von Hinweisgebern. Interessant sind auch vergleichsweise banale Beobachtungen wie die Tatsache, dass die interne Ermittlungseinheit aus Sparzwängen keine zeitgemäße Software für ihre Aufgabe habe.

Israel hat seine schwersten Vorwürfe bislang nicht belegt

Israel hatte neben dem Vorwurf, dass mindestens zwölf UNRWA-Beschäftigte an den Massakern vom 7. Oktober beteiligt gewesen seien (diese Fälle werden von einer Internen Ermittlungseinheit und nicht von der Colonna-Kommission untersucht), auch öffentlich gemacht, dass Hunderte UNRWA-Mitarbeiter Mitglieder von Hamas oder Islamischem Dschihad seien. Colonna sagte jedoch, dass Israel dafür keinerlei Beweise vorgelegt habe. Bei der Durchleuchtung der Mitarbeiter und dem Austausch von Informationen mit Israels Sicherheitsbehörden sieht sie gleichwohl Luft nach oben, vor allem was Struktur und Regelmäßigkeit in der Sicherheitskooperation angeht.

Das betrifft auch die Vorsorge gegen den Missbrauch von UNRWA-Einrichtungen durch die Hamas. Israel macht immer wieder Fälle öffentlich, in denen Hamas-Kämpfer Gebäude des Hilfswerks teils versteckt militärisch nutzten. Hierfür müssten UNRWA-Mitarbeiter besser sensibilisiert werden und es müssten mehr Kontrollen stattfinden.

Unterwanderung über die Gewerkschaften?

Bei dem Problem, dass die UNRWA-Schulen mit den Lehrbüchern ihrer Gastländer arbeiten, in denen sich oft anti-israelische Narrative finden, attestiert die Kommission zwar ernsthafte Bemühungen, doch seien die oft nicht ausreichend. Hier müsse eine „Null-Toleranz-Politik" gelten und jeder Verstoß verfolgt werden. Offenbar üben bislang lokale politische Gruppen über die internen UNRWA-Gewerkschaften großen Druck auf die Leitung des Hilfswerks aus, weshalb manche Reform nicht umgesetzt wurde. Die Kommission empfiehlt, dieses Problem offensiv anzugehen und vor allem die Führungsränge der Gewerkschaften von einer neutralen Instanz überprüfen zu lassen. So könnte verhindert werden, dass Gruppen Druck von innen ausüben können.

UN-Generalsekretär Guterres ließ noch am Montag mitteilen, dass alle Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden sollten. Doch wird das den wichtigsten Beitragszahlern reichen? Außenministerin Annalena Baerbock wurde am Dienstag beim Besuch der KZ-Gedenkstätte in Oranienburg danach gefragt. Sie hob hervor, dass Deutschland sich sehr für die Überprüfung durch die Kommission eingesetzt habe. Die Arbeit von UNRWA sei wichtig, um die Menschen in Gaza zu erreichen, dies habe man auch gerade im Kreise der G-7-Außenminister deutlich gemacht.

Diese Argumentation legt die Grundlage dafür, künftig wieder alle Zahlungen aufnehmen zu können. Für UNRWA-Organisationen in den Nachbarländern Israels hatte die Bundesregierung ohnehin schon wieder Gelder ausgezahlt, Gaza aber bis zur Klärung der Vorwürfe ausgenommen. Doch noch geht es für Berlin auch darum, die Reaktion mit den Partnern abzustimmen, die ebenso Zahlungen eingestellt hatten. Baerbock sagte: „Wir schauen uns den Bericht jetzt intensiv an."

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