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Laura Müllers Song „Superstar": Eine fundierte Musikanalyse

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Influencerin bringt ersten Song raus

Laura Müllers Song „Superstar": Eine fundierte Musikanalyse

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Laura Müller (rechts) hat ihren ersten Song herausgebracht.

Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa

Laura Müller, die Ehefrau des Verschwörungsideologen Michael Wendler, hat einen Song veröffentlicht. Im Internet sorgt das Lied für großen Spott und viel Häme. Doch ist das gerechtfertigt? Matthias Schwarzer mit einer etwas anderen Musikanalyse.

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Hannover. Über viele Jahre hinweg hatte Laura Müller in Medienberichten stets den Zusatz „die Frau von". Doch nun präsentiert die 23-Jährige ihr musikalisches Erstlingswerk. Es trägt den vielschichtigen Titel „Superstar", und dürfte selbst die spöttischsten Kritikerinnen und Kritiker abrupt verstummen lassen. Ob vor Begeisterung, Fremdscham oder blankem Entsetzen, das werden wir in diesem Text gemeinsam herausfinden - es nützt ja alles nichts.

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Doch bevor wir uns dem Stück widmen, zunächst ein wenig Kontext für all diejenigen, denen deutsche Hochkultur gänzlich fremd ist: Laura Müller ist bekannt, weil sie mit der früheren Singer-Songwriter-Ikone Michael Wendler liiert ist. Dessen lyrische Juwelen, darunter etwa die Ausnahmekomposition „Egal", ließen über viele Jahre die Herzen einer ganzen Nation vibrieren, ehe sich der Magier der Melodien dem kritischen Denken zuwandte. Auf der Internetplattform Telegram, wo sich ausschließlich brillante Köpfe treffen, die mehr wissen als alle anderen, publizierte Wendler ab Beginn der Corona-Pandemie messerscharfe Analysen über die Mächtigen der Welt. Oder anders formuliert: stumpfesten Verschwörungsquatsch.

Die ein oder andere Holocaustrelativierung später verlor Wendler schließlich all seine Fernsehshows bei RTL. Und nach mittelmäßig treffsicheren Voraussagen, etwa dass „fast alle" Corona-Geimpften im September 2021 sterben würden, büßte er selbst bei seiner sonst so treuen Gefolgschaft das letzte bisschen Glaubwürdigkeit ein.

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Von der Wendler-Gattin zum Onlyfans-Model

Über viele Jahre hinweg beobachtete die Fachpresse aufmerksam, welche Konsequenzen dieser fulminante Absturz für die Karriere von Wendlers Gattin Laura Müller hat. Müller hatte sich einst als Videokünstlerin auf der Plattform Instagram einen Namen gemacht. Als eines ihrer herausragendsten Werke gilt der Kurzfilm „Schatz, unser Briefkasten wurde umgefahren", der mit seiner unvorhersehbaren Wendung, nämlich der Schenkung eines Pickup-Trucks an ihren Gatten, das Publikum zu Tränen rührte.

Leider färbte das neue Image Wendlers auf seine Gemahlin ab: Werbekunden, die Müller wegen ihrer Virtuosität regelmäßig gebucht hatten, blieben irgendwann weg. Und Müller, die lange Zeit gut von diesen Zuwendungen leben konnte, musste sich ein neues Geschäftsmodell suchen. Dieses fand sie schließlich mit einer Internetplattform namens Onlyfans, eine avantgardistische Bühne der menschlichen Sinnlichkeit, die Kunst, Körperlichkeit und Selbstausdruck wie keine andere vereint. Mit anderen Worten: Hier sind alle nackt.

Auf dieser Plattform hat Müller bislang 274 Foto- und Videowerke hochgeladen. Was genau auf den Impressionen zu sehen ist, wurde für diese kulturwissenschaftliche Analyse nicht weiter nachrecherchiert. Der ganze Quatsch kostet nämlich 49,99 Euro im Monat und irgendwann ist auch mal gut.

„Ein schlechter Tag, um Ohren zu haben"

Das vorangestellt führt uns zum eigentlichen Thema dieses Textes. Denn Müller hat neben der Aktfotografie inzwischen einen weiteren Geschäftszweig gefunden. Wie schon ihr kontroverser Ehemann steigt nun auch Müller in die Musikbranche ein. Und sie tut das mit einem Werk, das schon seit seiner Veröffentlichung am Freitag die Riege der Musikrezensenten geradezu in Rage bringt.

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Allein auf der Internetplattform Youtube finden sich mehr als 7000 Wortmeldungen zum inzwischen mehr als eine Million Mal geklickten Debüt. „Nach dem Abspielen in der Küche waren die Fruchtfliegen weg", schreibt da jemand zum Beispiel. „Mein Opa sitzt im Rollstuhl. Er ist aufgestanden, um das Lied auszuschalten", ein anderer. Andere äußern sich noch kritischer: „Die Erfinder des Internets bereuen gerade, was sie erschaffen haben", glaubt jemand. Und ein anderer resümiert: „Ein schlechter Tag, um Ohren zu haben".

Was ist das für eine Komposition, die das Publikum derart spaltet? Hören wir mal rein.

Xylophon-Klänge und lyrische Perlen

Das musikalische Juwel Laura Müllers beginnt mit einem Xylophon, in dessen Nachhall sich das seichte Schnipsen eines Fingers verliert. Das klingt nicht nur nach Sommer, Sonne und grenzenloser Unbeschwertheit - die Kombination der Instrumente fungiert auch als klanglicher Botschafter der Sehnsucht und des Verlangens. Durch diese einfache, doch wirkungsvolle Klangkulisse schafft die Künstlerin schon zu Beginn ihres Stückes eine Atmosphäre knisternder Erotik.

Es folgt ein Stilbruch, der durch das Wummern einer Kickdrum und darauffolgendem Sprechgesang eingeläutet wird. Müller rappt die Textzeilen „Schau auf meinen Body, findest du mich heiß? Deine Augen zieh'n mich aus, Martini liegt auf Eis." Diese durchaus gewagte Lyrik ist ein unmittelbares Versprechen an das Publikum, sich auf eine Reise der Verlockung und Verführung einzulassen. Doch Müller will auch ihr Selbstbewusstsein und ihre Dominanz unterstreichen, wie folgende Textzeilen verdeutlichen: „Meine rote Sohle streichelt dein Gesicht. In Gedanken bin ich shoppen, das sag' ich dir nur nicht".

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Ein weiteres Kernelement des Stückes sind die wiederkehrenden Verweise auf den Kontostand der Künstlerin. „Nenn mich Luxus-Lady, das ist mir egal. Dior in 100 Farben schmücken mein Regal", heißt es da etwa. Damit unterstreicht das Ausnahmetalent Müller seine Individualität und inszeniert sich als wohlhabende Ikone voller Eleganz und Stil.

Bin auf Onlyfans ein Superstar, habe 100.000 Follower.

Laura Müller

in ihrem Song „Superstar"

Reim dich oder ich fress dich

Dieses Bild wird auch in den folgenden Textzeilen aufrechterhalten. „Ich mach' es gern im Auto, den Knüppel in der Hand. Aber nur in 'nem Ferrari, denn der ist mir bekannt". Kaum eine Vertreterin moderner Populärkultur hat menschliche Intimität je derart sinnlich beschrieben. Und die Kontrastierung von Verlangen und Geschwindigkeit, von Lust und Luxus, erschafft ein Bild, das nur musikalische Wunderkinder wie Müller derart präzise zeichnen können.

Doch all diese Zeilen werden in den Schatten gestellt vom Refrain des Stückes. „Bin auf Onlyfans ein Superstar, habe 100.000 Follower", säuselt Müller da. Ja, Sie haben richtig gelesen: Das Wort „Superstar" wird auf „Follower" gereimt. Auf einen solchen Einfall wären selbst die größten Poeten unserer Zeit wahrscheinlich nicht gekommen. Müller hingegen liefert mit dieser künstlerischen Raffinesse nicht nur ein überaus mutiges lyrisches Statement - sondern gleichzeitig auch eine wichtige Botschaft für die Selbstbestimmung der Frau.

Selbstverständlich hallen in all diesen Textzeilen die Erlebnisse, die Demütigungen und all der Schmerz der vergangenen Jahre nach. Der Absturz ihres Ehemannes hat auch Müllers Leben in eine existenzielle Krise gestürzt. Mit „Superstar" will die Künstlerin nun verdeutlichen: Sie braucht weder die Medien, noch die Werbeindustrie, um es an die Spitze zu schaffen - sie braucht im Zweifel nicht mal Kleidung. Nach Schätzungen von klatschorientierten Fachmedien dürfte Müller, deren Followerzahl auf Onlyfans nicht eindeutig bekannt ist, wohl mehrere Hunderttausend Euro im Monat mit der Erotikplattform machen.

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Hören auf eigene Gefahr

Doch die lyrische Darbietung ist nicht das einzige, was Müllers Werk so besonders macht. Spötter würden wahrscheinlich sagen, die 23-jährige Wendler-Gattin könne weder rappen noch singen, fliege ständig aus dem Takt, während der Gesang derart mit Korrekturen versehen ist, dass die Autotune-Regler bei der Bearbeitung geradezu aus dem Mischpult geflogen sein müssen. Doch das ist zu kurz gedacht.

Laura Müller erschafft mit „Superstar" eine revolutionäre Klanglandschaft, die die Grenzen der konventionellen Musik sprengt. Die Rap-Passagen mögen amateurhaft anmuten, doch verleihen sie dem Stück zugleich eine unvergleichliche Authentizität. Müllers schräge Gesangsdarbietung ist zugleich der musikalische Beweis des immer wiederkehrenden Influencer-Versprechens: Jeder, wirklich jeder kann es schaffen - man muss nur penetrant genug sein.

Eines möchten wir zum Ende dieser Analyse dennoch sicherheitshalber anmerken. So verlockend diese Rezension auch gewesen sein mag: Reinhören sollten Sie in den Song von Laura Müller wirklich nur dann, wenn sie ein starkes Nervenkostüm haben. Oder Fruchtfliegen in der Küche.

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