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"Ich möchte mit Ihren Phrasen nicht belästigt werden"

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Ampelstreit bei Maischberger "Ich möchte mit Ihren Phrasen nicht belästigt werden"

Von Marko Schlichting 23.04.2024, 04:22 Uhr Artikel anhören

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Kurz vor ihrem Parteitag am Wochenende hat die FDP ein Positionspapier vorgelegt. Darüber ist in der Ampel-Koalition ein heftiger Streit ausgebrochen. Auch in der ARD-Talkshow Maischberger sind die Fronten zwischen FDP-Vize Kubicki und Grünen-Politikerin Appuhn verhärtet.

Die Ampel-Koalition streitet sich mal wieder. Zunächst keine große Überraschung. Diesmal geht es um ein Positionspapier, das die FDP kurz vor ihrem Parteitag vorgelegt hat, der am kommenden Wochenende stattfindet. Die FDP fordert in ihrer Beschlussempfehlung für den Parteitag das Aus der abschlagsfreien Rente mit 63 und schärfere Sanktionen für Bürgergeldempfänger, die die Annahme von zumutbaren Jobs verweigern. Denen will sie das Bürgergeld sofort um 30 Prozent kürzen. Bisher gilt eine gestaffelte Kürzung. In Einzelfällen fordern die Liberalen die völlige Streichung des Bürgergeldes. Zudem spricht sich die FDP für ein Auslaufen der Förderung erneuerbarer Energien aus. Sie will die EEG-Umlage senken und schrittweise abschaffen. Über die EEG-Umlage wird der Ausbau der Erneuerbaren mitfinanziert.

Den Sozialdemokraten stoßen die Forderungen sauer auf. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nennt sie in einem Interview mit der dpa ein "Überbleibsel aus der Mottenkiste." Bei Maischberger streiten sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki und die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, über das liberale Positionspapier. Auch Appuhn lehnt die Forderungen der FDP ab und liefert sich mit Kubicki eine muntere Diskussion, in der sie auch den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisiert.

Kritik an Ampel

Natürlich stellt sich dabei die Frage, ob die Ampel-Koalition bis zum Herbst 2025 durchhält. Kubicki scheint sich nicht so sicher zu sein. Er hat schon mal eine mögliche rot-grüne Minderheitsregierung ins Gespräch gebracht. Die Befürchtung, dass dadurch die AfD mehr Macht bekommen könnte, weist er zurück. "Die Union und die FDP werden sich doch nicht bereitfinden, mit der AfD zu stimmen", sagt er. Ein Schelm, wer dabei an die Regierungsbildung nach der letzten Landtagswahl in Thüringen denkt.

Doch auch Appuhn sieht die Ampel-Koalition nicht in Stein gemeißelt. "Die Frage ist, ob die Regierung es noch schafft, die großen Probleme zu lösen." Die Regierung habe Fortschritt erreichen wollen, ohne dafür Geld in die Hand zu nehmen. "Jetzt kommen Haushaltsverhandlungen. Ich glaube, wenn man da auf die ganzen großen Fragen, auf die Probleme wie die zerfallende Infrastruktur, die Ungerechtigkeit, also wenn man da jetzt Antworten drauf findet, kann man vielleicht weitermachen. Aber wenn das durchgezogen wird, was Christian Lindner da gerade vorschwebt, fehlt mir offen gestanden jede Fantasie dafür, wie das weitergehen soll."

Das Papier sei nicht geschrieben worden, um die Ampel zu sprengen, erklärt Kubicki. Klar sei: Der Wirtschaft gehe es schlecht. "Woran Ihr Finanzminister einen großen Anteil hat", wirft Appuhn ein. "Ich möchte mit Ihren Phrasen hier jetzt nicht belästigt werden", giftet Kubicki überraschend heftig zurück. Es gebe einen Koalitionsvertrag, an den sich alle hielten. "Jetzt können Sie sagen, der gefällt Ihnen nicht, dann müssen wir ihn neu verhandeln. Aber Sie können nicht sagen, weil Sie andauernd tolle Forderungen haben, muss der Finanzminister …"

Hier unterbricht Appuhn: "Es geht nicht darum, dass ich tolle Forderungen habe, sondern dass sich der Rest der Welt über Deutschland lustig macht, weil wir an einer Schuldenregel festhalten, die ökonomisch überhaupt nicht begründbar ist." Kubicki: "Das ist schlicht und ergreifend eine Behauptung, die falsch ist."

Auf die Aussage ist Appuhn vorbereitet. Sie verweist auf den IWF, den wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums und den "Economist", die die Schuldenbremse kritisiert haben. Die Grünen fordern deren Reform. Die nötige Mehrheit will Appuhn dadurch erreichen, dass die FDP ihre Blockadehaltung aufgibt. Aber das wird so nicht funktionieren, weiß Kubicki. Zur Reform der Schuldenbremse bedürfe es einer Grundgesetzänderung, und dazu brauche man eine Zweidrittelmehrheit, weist er die Grünen-Politikerin zurecht. Die kontert und weist auf die Möglichkeit einer Bundesratsinitiative hin, zu der die Bundesländer bereit seien.

Kritik am FDP-Papier

Doch zurück zum FDP-Papier, das Appuhn grundsätzlich kritisiert: Die FDP wolle die Wirtschaft in Schwung bringen, weil sie ein wenig die Unternehmenssteuern senken wolle. Die Partei glaube, dass dann Investitionen automatisch folgen würden, was automatisch zu Wirtschaftswachstum führe. "Das Problem ist: Das funktioniert eben gar nicht automatisch. Was wirklich hilft, sind staatliche Investitionen und gute Löhne, weil das auch die Binnennachfrage ankurbelt." Für Steuersenkungen setze sich aber auch der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck ein, sagt Kubicki. "Da haben wir einen Dissens", gibt Appuhn zu.

Und so geht es weiter. Während Appuhn darauf besteht, dass Menschen mit 63 Jahren in Rente gehen können, will Kubicki das Arbeiten im Alter finanziell attraktiver machen. Während Kubicki das Klimaschutzgesetz befürwortet, das nächste Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, lehnt es Appuhn ab.

Der Streitpunkt: Bisher wurden Bereiche wie Verkehr oder der Wohnungsbau danach bewertet, ob sie innerhalb eines Jahres ausreichend Treibhausgase eingespart haben. Nun soll im Fokus stehen, ob der Treibhausgasausstoß insgesamt gesenkt wird. Kritik von Grünen und Union: So könne man nicht überprüfen, welcher Bereich seine vorgegebenen Klimaziele nicht einhält.

Das hat die Bundesregierung inzwischen geändert: Weiterhin wird deutlich gemacht, wo die Emissionen entstehen und in welchem Bereich zu viele Treibhausgase in die Luft geblasen werden. Die Grünen haben ihre Blockade des Gesetzes inzwischen aufgegeben. Warum Appuhn es trotzdem ablehnt, wird in der Diskussion nicht ganz klar.

Am Ende hat man das Gefühl: Die Fronten zwischen FDP und Grünen sind so verhärtet, dass ein gemeinsames Regieren kaum noch möglich ist.

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