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Erdogan lässt auch für Steinmeier Döner grillen

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Revanche-Spieß in Ankara Erdogan lässt auch für Steinmeier Döner grillen

24.04.2024, 19:27 Uhr Artikel anhören

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Möglicherweise hat der türkische Präsident mehr Humor, als ihm üblicherweise unterstellt wird: Zur Verabschiedung des deutschen Staatsoberhauptes fährt Erdogan ebenfalls einen monumentalen Dönerspieß auf. Mit einem solchen war Steinmeier zuvor in die Türkei gereist.

Mit Döner fing die Reise an, mit Döner ging sie zu Ende. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Abschuss seines Türkei-Besuchs zum Mittagessen eingeladen - und Döner servieren lassen. Der Spieß wurde mit einem Grill auf einem der Balkone des monumentalen Präsidentenpalasts in Ankara zubereitet. Damit griff Erdogan ein Thema auf, das in deutschen und türkischen Medien mehr Aufmerksamkeit erregte als alles andere bei Steinmeiers Visite - die Döner-Diplomatie.

Steinmeier nannte die Fixierung der Medien auf das Döner-Thema "oberflächlich".

(Foto: Bundespräsidialamt)

Steinmeier hatte bei seiner Anreise einen tief gefrorenen Dönerspieß aus einem Berliner Dönerimbiss mitgenommen, mitsamt dem zugehörigen Imbissbesitzer. Steinmeier kritisierte den Wirbel um den Dönerspieß als "Zeichen für die Oberflächlichkeit der Debatte". Er habe zu seinem Besuch eine Delegation mitgenommen, "die für die Vielfalt der türkischen Community steht" - und dazu gehöre eben auch der Dönerwirt.

Erdogan gab sich bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Ankara eher wortkarg zu der Grillfleisch-Debatte: "Ich glaube, in Istanbul ist der Döner aus", entgegnete er auf eine entsprechende Frage. Bei einem Empfang auf Einladung Steinmeiers war das Grillfleisch aus Berlin am Montagabend in Istanbul den Gästen aufgetischt worden.

Mit der Geste wollte das Bundespräsidialamt einem der Kernthemen des Besuchs Ausdruck verleihen - nämlich der Würdigung der Lebensleistung türkischer Immigranten in Deutschland. In den sozialen Medien löste die Geste allerdings eine zum Teil hämische Debatte aus: Steinmeier bekräftige damit Türkei-Klischees, lautete ein Vorwurf.

Steinmeier: "Wir brauchen einander"

Zum Abschluss seines Besuchs plädierte Steinmeier für eine Vertiefung der Beziehungen nach Jahren der politischen Entfremdung. Nach seinem knapp zweistündigen Gespräch mit Erdogan verwies der Bundespräsident auf die vielen internationalen Krisen, die eine Zusammenarbeit erforderten. "Wir brauchen einander", sagte er. "Deshalb sollten wir den deutsch-türkischen Beziehungen wieder neue Wichtigkeit verleihen."

Auch Konfliktthemen kommen zur Sprache.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Ankara sprachen beide Präsidenten auch Konfliktthemen an, vermieden aber einen Schlagabtausch auf offener Bühne. Offene Kritik etwa an der Menschenrechtslage in der Türkei übte Steinmeier nicht. Er verwies aber darauf, dass "Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Pressefreiheit wichtige Voraussetzungen" für eine engere Zusammenarbeit mit Europa seien.

Der Bundespräsident ließ allerdings durchblicken, dass er einen Wandel der politischen Orientierung der Türkei begrüßen würde. Er berichtete von den Begegnungen während seines dreitägigen Besuchs in Istanbul, Gaziantep und Ankara, bei denen er eine "vielfältige und dynamische Zivilgesellschaft" wahrgenommen habe - und fügte hinzu: "Gerade deshalb wünsche ich der Türkei eine dynamische, demokratische und europäisch orientierte Entwicklung."

Erdogan: "Doppelpass wertvoller Schritt"

Auch Präsident Erdogan, der seinen Gast mit "werter Freund" ansprach, äußerte den Wunsch nach einer Stärkung der Beziehungen. Potenzial sehe er im Warenaustausch, im Wachstum des Tourismussektors und in einer engeren Zusammenarbeit in Rüstungsfragen, wo es derzeit noch "Restriktionen" gebe. Das neue deutsche Staatsbürgerschaftsrecht, das einen doppelten Pass generell zulässt, begrüßte Erdogan ausdrücklich als "wertvollen Schritt". Zugleich sei er aber "zunehmend besorgt über fremdenfeindliche, islamfeindliche, rechtsextremistische und rassistische Aktionen in Europa", sagte der türkische Präsident. Er verwies auf den Brandanschlag auf ein Haus in Solingen, bei dem am 25. März dieses Jahres vier Menschen getötet wurden. Er erwarte, "dass dieser abscheuliche Vorfall aufgeklärt wird", sagte Erdogan.

Ein wichtiges Gesprächsthema der beiden Präsidenten war der Gaza-Konflikt, bei dem Berlin und Ankara "möglicherweise nicht bei vielem derselben Meinung" seien, sagte Steinmeier. Erdogan unterstützt die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas, vor wenigen Tagen empfing er deren Auslandschef Ismail Hanija. Deutschland stuft die Hamas als Terrororganisation ein. Erdogan kritisierte "die Aggressionen Israels" als Bedrohung für die Sicherheit der Region - Kritik an der Hamas übte er nicht. Am Rande des Besuchs kam es immer wieder zu Protestaktionen gegen die Unterstützung Deutschlands für Israel. Eine kleine Gruppe Demonstranten machte bei Steinmeiers Besuch an der Universität Ankara ihrem Unmut Luft; auf einem Plakat war zu lesen "Wir brauchen hier keine Zionisten".

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