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Italiens Staatsender RAI: Zensurvorwurf gegen Regierungschefin Meloni

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Stand: 23.04.2024 10:06 Uhr

"Telemoni" - das ist der Spitzname für den italienischen Sender RAI. Der Vorwurf: Regierungschefin Meloni wolle ihren Einfluss auf den Sender ausweiten. Nun gibt es einen neuen Skandal und Teile des Senders begehren auf.

Antonio Scurati ist ein angesehener Schriftsteller, nicht nur in Italien. Der 54-Jährige ist mehrfach ausgezeichnet worden, besonders intensiv hat er sich mit dem Faschismus auseinandergesetzt. Für seinen Roman "M. Der Sohn des Jahrhunderts" über Benito Mussolini bekam er den wichtigsten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega.

Scurati wurde von der öffentlichen Sendeanstalt RAI damit beauftragt, eine Rede zum Tag der Befreiung vom Faschismus zu verlesen. Doch kurzfristig wird Scurati wieder ausgeladen, er darf seine Rede nicht mehr halten. Die Moderatorin der Sendung will das aber nicht hinnehmen und verliest kurz entschlossen seine Worte vor laufender Kamera.

Skandal um Scurati zieht weite Kreise

In einer Passage von Scurati heißt es: "Solange diejenigen, die uns regieren, das Wort Antifaschismus nicht aussprechen, wird das Gespenst des Faschismus weiterhin das Haus der italienischen Demokratie heimsuchen." Es ist eine klare Kritik an Regierungschefin Meloni, denn bis heute hat sich die Vorsitzende der Partei Fratelli d'Italia nicht vom faschistischen Erbe ihrer Partei distanziert.

Aus ideologischen und politischen Gründen habe man ihm abgesagt, so Scurati, der auch an der Universität Mailand lehrt. Gegenüber dem ARD Studio Rom sagt er: "Ich habe kritisiert, dass in den 19 Monaten Meloni-Regierung die Ministerpräsidentin auf der Lesart der Geschichte beharrt, die ihrem neofaschistischen Hintergrund entspricht, sprich: Sie wälzt die Schuld für die Gemetzel und Massaker auf die deutschen Nazis ab, obwohl die Faschisten von Salò Komplizen und Kollaborateure waren."

Der Medienskandal um Scurati zieht weite Kreise. Die Empörung ist groß. Schon seit Langem, so der Vorwurf, greift die rechte Regierung über ihre Gefolgsleute direkt in das Programm der RAI ein.

Vor laufender Kamera verliest deshalb die Sprecherin der Frühnachrichten einen Protest der Journalisten-Gewerkschaft. Die Kontrollen von Seiten der obersten Führungsriege der RAI über die Nachrichten, so heißt es, würden von Tag zu Tag erdrückender. "Wir stehen vor einem allgegenwärtigen Kontrollsystem, das gegen die Grundsätze journalistischer Arbeit verstößt."

Beliebter Showmoderator verlässt den Sender

Dass die Parteien in Italien direkten Zugriff auf den öffentlich-rechtlichen Sender RAI beanspruchen, ist nichts Neues. Doch im Zuge einer Gesetzesreform ist die Anstalt seit 2016 abhängiger von der jeweiligen Regierung geworden.

Bereits kurz nach Amtsantritt der Regierung Meloni im Oktober 2022 wurden einflussreiche Manager ausgetauscht, bekannte Journalisten und Moderatoren wie Fabio Fazio, Bianca Berlinguer oder Lucia Annunziata suchten das Weite. Jetzt kehrte auch Amadeus der RAI den Rücken, der populäre Showmoderator fuhr mit seinem Programm immer wieder Traumquoten ein.

Die Regierung scheint das nicht zu beeindrucken, sie versucht, den eigenen Einfluss zu vergrößern. So sollten etwa die Minister der Meloni-Regierung im Europawahlkampf mehr Redezeit bekommen. Das wäre ein Aushebeln des sogenannten Gesetzes "par conditio", nach dem alle Parteien gleich viel Sendezeit erhalten müssen. Der Widerstand war massiv, vorerst sind die Pläne augenscheinlich vom Tisch. Dennoch macht sich Alessandra Costante große Sorgen um die Pressefreiheit in ihrer Heimat.

Sie ist die Generalsekretärin der Journalistengewerkschaft FNSI. Die Räume für eine freie und unabhängige Information würden immer geringer. Ihren Worten nach ist das ein Angriff auf den Artikel 21 der Verfassung, den Artikel, der besagt, dass die Information frei sein muss und keinen Beschränkungen unterliegen darf. Dieser Artikel lege auch das Recht und die Pflicht der Journalisten fest, zu informieren.

Journalistengewerkschaft kündigt Streik an

Bei der RAI hat die Journalistengewerkschaft Usigrai einen fünftägigen Streik angekündigt. Die Regierungschefin selbst weist jegliche Einflussnahme zurück, Meloni sieht die Zensurvorwürfe als Kampagne an. Sie sagt: "Wenn man etwas schlecht macht, dann ist es richtig, zu kritisieren. Aber wenn man etwas erfindet, um zu kritisieren, dann ist das, ehrlich gesagt, kein guter Dienst."

Der Vertrag mit dem Schriftsteller Scurati, so die RAI, sei wegen seiner hohen Honorarforderung gekündigt worden, es gehe, wie es heißt, um 1.800 Euro.

Dieser bestreitet das. In den Augen von Scurati ist das ein vulgärer Vorwand, eine Lüge. Die Summe, die Meloni genannt habe, sei nicht korrekt. "Sie starten einen persönlichen Angriff und verschieben so das Problem. Ich diskreditiere dich, ich beschimpfe dich, ich greife dich persönlich an." Er zieht den Vergleich mit der Geschichte: "Vor 100 Jahren war das die faschistische Methode. Nicht über Inhalte reden, sondern die Person angreifen."

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