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Auch für die USA gilt: Völlig schmerzfrei ist eine sinkende Inflation nicht zu haben

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Der Frust ist gross. Seit Monaten muss die Zinswende in den USA immer wieder verschoben werden. Die Anleger sollten einsehen, dass sich eine boomende Wirtschaft schlecht mit Zinssenkungen verträgt.

Der Notenbankchef Powell enttäuscht die Hoffnung auf Zinssenkungen.

Jose Luis Magana / AP

Die Stimmung an den internationalen Finanzmärkten hat sich in den vergangenen Tagen stark eingetrübt. Die Eskalation zwischen Israel und Iran nährt die Furcht vor einem geopolitischen Flächenbrand in Nahost. Die damit verbundenen Preissteigerungen beim Erdöl verteuern das Wirtschaftsleben. Und die bisher vorliegenden Geschäftsabschlüsse von amerikanischen Unternehmen im ersten Quartal vermögen nicht zu begeistern. Entsprechend sinken die Aktienkurse. An der Schweizer Börse sind die seit Anfang Jahr registrierten Zugewinne schon fast ausradiert.

Zinswende wird ständig verschoben

Auf die Laune der Investoren drückt aber noch etwas anderes: die hartnäckig hohe Inflation in den USA. Diese ist im März gegenüber dem Vorjahresmonat unerwartet stark auf 3,5 Prozent gestiegen. Sie liegt damit noch immer weit entfernt vom angestrebten 2-Prozent-Ziel. Der amerikanische Notenbankchef Jerome Powell erklärte diese Woche, der Kampf gegen die Inflation werde wohl «länger als erwartet» andauern. Die Währungsbehörde werde so lange wie nötig auf eine straffe Geldpolitik setzen, sollte die Inflationsrate dauerhaft höher bleiben.

An den Märkten kommt die Botschaft des «higher for longer» schlecht an. Seit Monaten prognostizieren Analysten baldige Zinssenkungen in den USA. Und seit Monaten muss die erhoffte Zinswende immer wieder verschoben werden, weil sich die Inflation nicht an die Wünsche der Investoren halten will. Zwar hat das Fed wiederholt vor der Zähigkeit der Teuerung und der Gefahr einer vorschnellen Lockerung der Geldpolitik gewarnt. Von vielen Investoren werden diese Einwände aber ausgeblendet - als ob man sich die Zinswende herbeiwünschen könne.

Weiterhin rechnen die meisten Beobachter für dieses Jahr mit Zinssenkungen in den USA. Aber auch das Gegenteil kann nach den jüngsten Enttäuschungen nicht mehr ausgeschlossen werden. So wächst die Zahl jener Ökonomen, die auch eine Rückkehr zu Zinserhöhungen und steigenden Kreditkosten für denkbar halten. Möglich also, dass der aggressivste Zinserhöhungszyklus seit den 1980er Jahren noch gar nicht zu Ende ist. Auch das «Wall Street Journal» schrieb dieser Tage, Zinssenkungen seien jetzt eine «Frage des Ob, und nicht nur des Wann».

Überhitzung passt nicht zu Lockerung

Das Jammern an den Märkten irritiert. Denn eigentlich sind die Gründe für das stete Verschieben der Zinswende erfreulich. Die amerikanische Wirtschaft entwickelt sich trotz Leitzinsen über 5 Prozent erstaunlich gut. Der Internationale Währungsfonds bezeichnete die US-Wirtschaft diese Woche sogar als überhitzt und verwies dabei auf das robuste Wachstum sowohl der Produktivität als auch der Beschäftigung. Tatsächlich sinkt die Arbeitslosigkeit und wurden im März ausserhalb der Landwirtschaft erneut mehr als 300 000 neue Stellen geschaffen.

Doch die unbequeme Wahrheit lautet: Meist muss es etwas weh tun, will man die Inflation dauerhaft senken. In der Schweiz, wo die Zinswende schon lanciert worden ist, spiegelte sich der Schmerz in der realen Aufwertung des Frankens. Das machte der exportorientierten Industrie zwar das Leben schwer, trug über sinkende Importpreise aber zum Rückgang der Inflation bei. Wie die Nationalbank diese Woche gezeigt hat, trug hierzulande primär der Wechselkurs - und weit weniger der Leitzins - zur Straffung der Geldpolitik zwischen 2021 und 2023 bei.

Auch die USA müssen sich vom Gedanken verabschieden, die Preisstabilität sei schmerzfrei zu haben. Eine boomende Wirtschaft, ein starkes Beschäftigungswachstum, steigende Löhne und eine extrem spendable Finanzpolitik sind in einem Wahljahr zwar hochwillkommen. Dieser Mix verträgt sich aber schlecht mit dem Ziel, die Inflation zu dämpfen. Anleger sollten verstehen: Den USA muss es wirtschaftlich zuerst etwas schlechter gehen, ehe es dem Land mit Blick auf die Preisstabilität besser geht.

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