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Biden und „Onkel Bosie": Kannibalenlegende ärgert Papua-Neuguinea

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Biden und „Onkel Bosie"

US-Präsident Joe Biden ist gehörig ins Fettnäpfchen getreten, als er bei einem Wahlkampfauftritt eine Legende über seinen „Onkel Bosie" und Kannibalen in Papua-Neuguinea auftischte. Inhalt: Der Verwandte sei als Pilot im Zweiten Weltkrieg dort abgestürzt, aber nie gefunden worden, da es dort „so viele Kannibalen gab". Die Anekdote musste offiziell zurechtgerückt werden, Papua-Neuguinea reagiert mittelmäßig verschnupft.

22.04.2024 16.05

22. April 2024, 16.05 Uhr

Es dauerte einige Tage, bis die Regierung Papua-Neuguineas auf Bidens Märchen von den Kannibalen reagierte, am Sonntag (Ortszeit) schließlich meldete sich aber doch Regierungschef James Marape zu Wort. Bidens Kommentar müsse diesem wohl herausgerutscht sein, sagte er. Dennoch komme die Aussage einer Verunglimpfung gleich, wurde Marape sinngemäß zitiert, er wolle nicht, dass sein Land derart etikettiert werde.

Marape betonte zugleich die guten Beziehungen zwischen seinem Land und den USA. In Papua-Neuguinea gab es früher tatsächlich (rituellen) menschlichen Kannibalismus (Anthropophagie) so wie andernorts in Ozeanien und vielen anderen Teilen der Welt (Europa inklusive) auch. Bidens Version des Verschwindens seines Onkels, 2nd Lieutenant Ambrose J. Finnegan Jr., hatte damit allerdings nichts zu tun, wie sich rasch herausstellte.

Papua-Neuguineas Regierungschef James Marape gab sich bemüht diplomatisch

Legende und Wahrheit über „Onkel Bosie"

Aufgetischt hatte der US-Präsident die Legende bei einem Auftritt im Rahmen seines Vorwahlkampfs bei einem Auftritt in der Stadt Pittsburgh (Pennsylvania) am Mittwoch. „Onkel Bosie", Aufklärungsflieger in Ozeanien, sei im Zweiten Weltkrieg über Papua-Neuguinea abgestürzt, aber nie gefunden worden - eben wegen der mutmaßlichen Kannibalen dort. „Er wurde über Neuguinea abgeschossen, und man hat seine Leiche nie gefunden, weil es in diesem Teil von Neuguinea wirklich viele Kannibalen gab", wurde Biden in US-Medien wie dem TV-Sender CNN zitiert.

Später recherchierte eine für Nachforschungen zu vermissten US-Soldaten zuständige Einheit im Pentagon (Defense POW/MIA Accounting Agency, DPAA) zu dem Fall und ließ wissen: Finnegan starb bei einem Flugzeugabsturz vor der Küste des ozeanischen Inselstaats, offenbar bei einer versuchten Notlandung auf dem Wasser nach einem Motorschaden an seiner Maschine - „aus unbekannter Ursache", wie es auf der Website der DPAA heißt. Ein Wrack wurde nie gefunden, auch der Pilot und drei weitere Besatzungsmitglieder blieben verschollen.

Kannibalenlegende als Bidens Fettnäpfchen

US-Präsident Joe Biden ist in Pittsburgh mit einer Anekdote seiner Familie ins diplomatische Fettnäpfchen getreten: Sein „Onkel Bosie" war als Pilot im Zweiten Weltkrieg über Papua-Neuginea abgestürzt, jedoch sei sein Leichnam nie gefunden worden, da es dort „so viele Kannibalen" gebe.

„Sehr beleidigend"

Papua-Neuguineas Regierung reagierte auf das Kannibalenmärchen zwar demonstrativ gelassen, ob die Erzählung gerade zu dem Zeitpunkt, an dem die USA versuchen, ihre Verbündeten gegen die wachsende Präsenz Chinas im Pazifik bei Laune zu halten, passend sei, sei aber fraglich, hieß es am Montag im „Guardian".

Die Völker Melanesiens, auch Papua-Neuguinea gehört zu den pazifischen Inselgruppen, seien „sehr stolze Völker", sagte Michael Kabuni, Politikwissenschaftler an der Universität von Papua-Neuguinea, der britischen Tageszeitung. Und sie würden diese „Kategorisierung" als „sehr beleidigend" empfinden, nicht weil jemand sagte: „Oh, da gab es Kannibalismus in Papua-Neuguinea - ja, das wissen wir, das ist ein Faktum."

Ein hartnäckiges Stereotyp

Der Punkt sei, dass Bidens Aussagen nicht im richtigen Kontext (des historischen rituellen Kannibalismus, Anm.) stünden und vermittelten, dass der Onkel aus dem Flugzeug springt und zur „Mahlzeit werde". Niemand hätte einen weißen Mann aufgegessen, der vom Himmel fiel. Knappe 80.000 US-Soldaten seien seit dem Zweiten Weltkrieg vermisst. Ob Biden meinte, die seien alle aufgegessen worden? Papua-Neuguinea versucht nachhaltig, das „Kannibalismus"-Stereotyp loszuwerden.

Der Inselstaat in Ozeanien kämpft immer wieder mit dem alten Stereotyp der „Wilden"

Er habe Biden bis jetzt insgesamt viermal getroffen, sagte Papua-Neuguineas Regierungschef Marape. Bei jeder Gelegenheit habe der US-Präsident Papua-Neuguinea „sehr gelobt". Von „Kannibalen" im Zusammenhang mit seinem Land sei nie die Rede gewesen. Stattdessen gebe es wichtige Themen, etwa die Beseitigung von nicht explodierten Sprengsätzen aus dem Zweiten Weltkrieg als eine der Hauptgefahren in abgelegenen Gebieten.

Erinnerungen an Prinz Philip

Die Legende von „Onkel Bosie" erinnert unweigerlich auch an einen Ausrutscher des verstorbenen Ehemanns der gleichfalls verstorbenen britischen Königin Elizabeth II., Prinz Philip, der 1998 einen Studenten nach einer Trekkingtour auf Papua-Neuguinea gefragt hatte, wie er es denn geschafft hätte, unterwegs nicht aufgegessen zu werden. Prince Philip war bekannt für seine häufig etwas „unpassenden" Kommentare und genoss den Spitznamen „Duke of Hazard" (so auch der gleichnamige Titel eines Buches über ihn, ins Deutsche übertragen etwa „Prinz der Fettnäpfchen").

Biden wurde zuletzt mehrfach vorsichtig unterstellt, sein Alter (81) sei ein Problem für seine Amtsführung. Er verwechselte etwa einmal den verstorbenen deutschen Altbundeskanzler Helmut Kohl mit der früheren deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und außerdem den verstorbenen französischen Staatschef Francois Mitterrand mit dem aktuellen Amtsinhaber Emmanuel Macron. Er selbst wies Bedenken wegen seines hohen Alters - vor allem im Hinblick auf eine weitere Amtszeit - stets zurück.

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